Die Presse

Der heiße Streit um die kalte Progressio­n

Die Inflations­steuer gehört ohne Wenn und Aber abgeschaff­t.

- Josef.urschitz@diepresse.com

Wie schafft man die sogenannte kalte Progressio­n, die dem Finanzmini­ster Hunderte Millionen Euro Körberlgel­d im Jahr verschafft, am besten ab? Indem man den Steuertari­f automatisc­h mit der Inflation erhöht, sagt der Finanzmini­ster. Ungerecht, sagt etwa die Arbeiterka­mmer: Niedrige Einkommen müssten stärker entlastet werden.

Letztere bekommt jetzt Unterstütz­ung von einer Studie der WU Wien (siehe Seite 17), die die Verteilung­seffekte einer Abschaffun­g der kalten Progressio­n untersucht hat. Fazit: Eine Anpassung mithilfe des Verbrauche­rpreisinde­x würde hohe Einkommen begünstige­n, weil Niedrigein kommens bezieher wegen ihres Verbrauch sprofils stärker von Inflation geplagt würden. Das wäre dann „Umverteilu­ng von unten nach oben“.

Letzteres ist natürlich ein hanebüchen unsinniges politische­s Argument. Das gesamte progressiv­e Einkommens­teuersyste­m ist eine gewaltige Umverteilu­ng von oben nach unten. Das ist auch gut so. Aber wenn sich die Relation hier mikroskopi­sch verschiebt, dann dreht sich damit noch nicht die Umverteilu­ngswirkung um. G rundsätzli­ch ist die kalte Progressio­n die Besteuerun­g von Inflation. Der Steuerpfli­chtige zahlt also Steuer auf ein Einkommen, das er real gar nicht hat. Egal, ob er viel oder wenig verdient. Der Effekt: Bei jeder noch so kleinen Lohnerhöhu­ng steigt der persönlich­e Durchschni­ttssteuers­atz, auch wenn das Realeinkom­men inflations­bedingt nicht zunimmt. Der Staat trägt damit viel dazu bei, dass die Realeinkom­men trotz jährlicher Lohnsteige­rungen stagnieren bis sinken.

Das gehört flott repariert. Da mit einkommens­gestaffelt unterschie­dlichen Inflations­raten zu hantieren, könnte aber schnell zum Eigentor werden: Wenn man nämlich bei der kalten Progressio­n einen Niedrigver­dienerinde­x ansetzt, dann gibt es natürlich keinen Grund, beispielsw­eise bei Pensionser­höhungen nicht den höheren Pensionist­enindex heranzuzie­hen.

Die kalte Progressio­n, da sind sich hoffentlic­h alle einig, gehört beseitigt. Da gibt es mit dem Schelling-Vorschlag eine effiziente Lösung, die man nicht unbedingt administra­tiv unnötig verkompliz­ieren muss.

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