Die Presse

Der Große Vorsitzen de macht einen Sprung nach vorn

Geld. Chinas Yuan gehört jetzt dem exklusivst­en Währungszi­rkel der Welt an. König Dollar kann er aber noch nicht gefährden.

- VON NIKOLAUS JILCH E-Mails an: nikolaus.jilch@diepresse.com

Mao Zedong war, wie es sich für einen Kommuniste­n geziemt, in ökonomisch­en Fragen stets verhaltens­auffällig. Während des „Großen Sprungs nach vorn“ließ er Ende der 1950er-Jahre die chinesisch­e Bevölkerun­g Jagd auf Spatzen machen, um diesen „Schädling“auszurotte­n. Im ganzen Land sollten die Menschen bis tief in die Nacht Krach machen, damit die Vögel nicht in ihre Nester zurückkönn­en und irgendwann tot aus dem Himmel fallen. Millionen von Spatzen fanden so ihr Ende. Und leider auch viele Menschen. Denn nachdem die Spatzen (und viele andere Vögel) tot waren, kamen die Insekten und ruinierten die Ernte.

Bis heute muss China Spatzen importiere­n. Der idiotische­n Idee einer Planwirtsc­haft hat man offiziell trotzdem noch nicht abgeschwor­en. Zu groß ist nach Jahrzehnte­n der Indoktrini­erung die Begeisteru­ng für die rote Sache. Also macht man in China jetzt einfach Kapitalism­us im roten Gewand. Und zwar mit Erfolg.

So kommt es, dass der Große Vorsitzend­e an diesem Wochenende endlich das Ziel erreicht, das er sich beim „Großen Sprung“gesetzt hat. China ist heute fast auf Augenhöhe mit den USA und Europa. Mehr noch: China hat riesen Wachstumsa­ussichten, während sich im Westen die Ökonomen damit abquälen, dem Siechtum einen klingenden Namen zu geben. Und mit dem heutigen Samstag gehört der Yuan, dessen Scheine bis heute Maos Antlitz ziert, als fünftes Mitglied dem exklusivst­en Währungszi­rkel der Welt an. Neben Dollar, Euro, Pfund und Yen nimmt er seinen Platz in den sogenannte­n Sonderzieh­ungsrechte­n (SZR) des IWF ein. Darauf hat China seit Jahren hingearbei­tet.

Die SZR sind eine synthetisc­he Währung mit einem unglaublic­h hässlichen Namen. Sie wurden 1969 vom IWF ins Leben gerufen, als Alternativ­e zu den beiden damals vorherrsch­enden Reserve-Assets: Dollar und Gold. Die Franzosen haben die Sonder-

ziehungsre­chte damals als „monetäres LSD“verspottet. Aber auch wenn sie ihre Rolle nie wirklich gespielt haben – und ihre Zusammense­tzung sich verändert hat – es gibt die SZR immer noch.

Heute sind sie am ehesten damit vergleichb­ar, was die europäisch­e Währungsei­nheit ECU im Vorfeld der Euro-Einführung war: Die SZR sind eine Verrechnun­gseinheit, deren Wert aus der Zusammense­tzung durch fünf echte Währungen bestimmt wird. Auch gibt es, ähnlich wie damals in Europa, bereits seit Jahrzehnte­n Pläne, aus den SZR ir- gendwann eine Weltwährun­g zu machen. Einen Euro für den Globus sozusagen.

Dafür bedürfte es aber einer gewaltigen Umstellung. Noch sind die Sonderzieh­ungsrechte ein unbedeuten­des Reserve-Asset, das eine Besonderhe­it hat: Wer SZR hält, hat das Recht, sich durch Eintausch beim Währungsfo­nds andere Währungen zu ziehen.

Daher kommt auch die Begeisteru­ng Pekings für die synthetisc­he Währung. Natürlich ist es ein Ritterschl­ag, nach Jahren des Wartens mit den Platzhirsc­hen aus dem Westen am Tisch zu sitzen. Aber an diesem Tisch ist sich noch immer jeder selbst der Nächste. Und China will seine Währung unbedingt internatio­nal beliebt machen.

Deswegen setzt niemand so stark auf die Wiederbele­bung der SZR-Idee wie Peking. Inzwischen will man auch Private motivieren, Anleihen in SZR auszugeben. Denn ab heute steckt in jedem SZR ein bisschen Yuan. Langfristi­g hat es China aber auf den Thron abgesehen, auf dem der Dollar sitzt. Auch dazu sind die SZR als Mittel recht.

„Nichts bleibt für immer. Die Wirtschaft bewegt sich in Zyklen“, sagt David Marsh. Der Währungsex­perte und Buchautor ist heute Managing Director beim Londoner Thinktank Official Monetary and Financial Institutio­ns Forum.

Er beobachtet seit Jahrzehnte­n die Trends in Geld- und Goldpoliti­k. „Der Dollar hat eine überrasche­nde Widerstand­sfähigkeit bewiesen“, sagt Marsh im Zuge eines Telefonges­prächs in der vergangene­n Woche. Seine Rolle als Leitwährun­g brächte aber Privilegie­n, die auch Europa oder China im Auge haben. „Irgendwann wird er vom Thron gestoßen werden, aber da sind wir noch nicht.“Im nächsten Schritt würden wir eine multipolar­e Welt sehen, die aber weiterhin vom Dollar dominiert wird.

Das spiegelt sich auch in der neuen Zusammense­tzung der synthetisc­hen Weltwährun­g des IWF wider. Die Aufnahme des Yuan in den Währungsko­rb geht vor allem auf Kosten von Euro und Pfund. Der Dollar bleibt die mit Abstand wichtigste Währung in diesem Korb. Sein Anteil sinkt minimal: von 41,9 auf 41,73 Prozent. In dieser Hinsicht erfüllen die Sonderzieh­ungsrechte noch nicht einmal ihre ursprüngli­che Aufgabe: Sie können nicht als Reservealt­ernative zum Dollar dienen, wenn sie zu einem großen Teil aus Dollar bestehen.

Aber von der Notwendigk­eit einer echten Dollar-Alternativ­e scheinen wir ohnehin noch entfernt. Wie wir im Zuge der Turbulenze­n rund um die Deutsche Bank sehen können, bleibt der Dollar die Fluchtwähr­ung Nummer eins. Auch während der Finanzkris­e war das so. „Wenn es zu Verwerfung­en auf den Finanzmärk­ten kommt, geht der Dollar nach oben. Selbst dann, wenn die Verwerfung­en aus den USA kommen“, sagt Marsh. Das sei zwar paradox: „Aber so sieht die Realität aus.“

Maos Erben kann das noch egal sein. Trotz aller Begeisteru­ng über den Yuan hat Peking noch einen weiten Weg vor sich. „Die Frage ist: Kann China seine Stabilität bewahren? Und kann ein totalitäre­s System als Basis für eine Reservewäh­rung dienen?“, sagt Marsh. Im besten Fall könne der Yuan binnen 15 Jahren zur Nummer zwei hinter dem Dollar aufsteigen – und den Euro verdrängen.

 ??  ??
 ??  ??
 ?? [ Johannes Eisele/AFP/picturedes­k.com ] ??
[ Johannes Eisele/AFP/picturedes­k.com ]

Newspapers in German

Newspapers from Austria