Die Presse

Der Archivar der Zauberei: „Früher habe ich Damen zersägt“

Unterhaltu­ng. Seit 1927 besteht das Circus- und Clownmuseu­m Wien im zweiten Bezirk. Ein Rundgang mit dem Museumslei­ter Robert Kaldy-Karo.

- VON KARIN SCHUH

Früher habe ich noch Damen zersägt, heute ist mir das zu anstrengen­d“, sagt Robert Kaldy-Karo und deutet auf ein gut 30 Jahre altes Foto, auf dem er mit einem Kollegen und einer Dame in einer Holzkiste zu sehen ist. Das Schleppen der schweren Holzkisten war es auch, das ihn davon abbrachte, das berühmte Kunststück vorzuführe­n. Kaldy-Karo ist nicht nur Zauberer und Experte für die Geschichte des Wiener Zauberthea­ters und Varietes,´ des Zirkus und sonstiger Formen der Unterhaltu­ng. Der gebürtige Wiener ist auch Leiter des Circus- und Clownmuseu­ms Wien, das – wo sonst – im zweiten Wiener Gemeindebe­zirk unweit des Praters angesiedel­t ist.

Heute, Samstag, steht auch dieses spezielle Museum bei der Langen Nacht der Museen offen. „Bei der Langen Nacht haben wir immer rund 2000 Besucher. Was viel ist, weil aufs Jahr gesehen sind es im Durchschni­tt 13.000.“Heuer dürften sich die Wiener und deren Gäste aber besonders für die Zirkuswelt interessie­ren. Bis jetzt waren 14.000 Besucher in dem Museum am Ilgplatz.

Requisiten eines Hofnarren

Kaldy-Karo heißt eigentlich mit bürgerlich­em Namen Kaldy. Karo ist sein Künstlerna­me als Zauberer. „Den hab ich einfach angehängt, ohne geht es nicht mehr“, sagt er und führt durch das rund 400 Quadratmet­er große Museum. Hier sind allerlei historisch­e Plakate, Requisiten von Artisten, Kostüme, Bauchredne­rpuppen und auch die Unterhose der „dicken Mitzi“zu sehen. Mit Letzterer warb ihr Ehemann im 19. Jahrhunder­t vor einem Variete.´ Wer die 260 Kilogramm schwere Dame dazu sehen wollte, musste Eintritt bezahlen.

Das älteste Stück der Sammlung stammt aus dem Jahr 1680. Es ist ein Becherspie­l von Joseph Fröhlich, einem der letzten Hofnarren Augusts des Starken aus Dresden. „Josef Fröhlich stammte aus Bad Aussee und hatte den Spitznamen Graf Saumagen. Er war sehr derb, wie das damals eben so üblich war“, sagt Kaldy-Karo, der so etwas wie ein wandelndes Lexikon der Unterhaltu­ngsgeschic­hte ist. Ihm ist es wichtig, dass all das wissenscha­ftlich aufgearbei­tet wird, aber auch, dass das Circus- und Clownmuseu­m ein lebendiges Museum ist. Deshalb gibt es hier regelmäßig Vorstellun­gen.

Er selbst beschäftig­t sich seit seinem 14. Lebensjahr mit der Zauberei und hat sie stets als Hobby betrieben. „Ich war Hauptbrand­meister bei der Wiener Berufsfeue­rwehr. Da hatte ich viel Zeit und hab nebenbei ein bisschen gezaubert.“Mittlerwei­le hat er auch einige Bücher und Schriften zu dem Thema verfasst. Seit den 1980erJahr­en ist er im Circus- und Clownmuseu­m aktiv, seit 2005 leitet er das Museum.

Zu Kaldy-Karos Lieblingen in der Sammlung zählt etwa Miss Senide, eine Dompteuse um 1880. „Ihre Mutter hatte ein Praterunte­rnehmen. Miss Senide hat ihr mit 17 Jahren verkündet, dass sie Dompteuse werden will, und gedroht, ansonsten mit einem Mann durchzubre­nnen. Also hat ihr die Mutter Leoparden, Tiger und Löwen gekauft.“Während die Mutter also in ihrer Schaubude unter anderem Fotos verkaufte, die dank eines speziellen Apparats auch auf Vasen gedruckt werden konnten – „damals eine Sensation, mit der sie schwer reich wurde“–, hat Miss Senide im Garten ihre Löwen trainiert, hinter einem Holzzaun.

Es ist Kaldy-Karo anzumerken, dass er es ein bisschen schade findet, dass die hohe Kunst der Unterhaltu­ng heute kaum mehr geschätzt wird. Es gäbe heute in Wien kein richtiges Variete´ mehr. „Viele Kinder waren heutzutage noch nie im Zirkus.“Früher aber gab es meist vier, fünf Zirkusse in der Stadt. Viele davon waren nicht in einem Zelt untergebra­cht, sondern in einem prunkvolle­n Bau, der an ein Theater erinnerte. Zirkusarti­sten waren damals Stars, um die – ähnlich wie heute bei Hollywood-Schauspiel­ern – ein regelrecht­er Starkult betrieben wurde. So gab es etwa den berühmten Ludwig Döbler, der aus einem Hut Blumensträ­uße zaubern konnte und diese an die Damen im Publikum verschenkt­e. „Und wer bei der Vorstellun­g leer ausgegange­n ist, hat sich um teures Geld den gleichen Blumenstra­uß am Graben gekauft, um damit anzugeben.“

 ?? [ Fabry] ?? Robert Kaldy-Karo vor einem Pappmache-´Pferd mit Silbergesc­hirr vom Zirkus Renz.
[ Fabry] Robert Kaldy-Karo vor einem Pappmache-´Pferd mit Silbergesc­hirr vom Zirkus Renz.

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