Zersetzung der Demokratie in der postfaktischen Welt
Gastkommentar. Ein Klima des Zweifels, der Ohnmacht und der Ratlosigkeit wirkt wie eine Einfallspforte für Manipulationen aller Art.
Würde Donald Trump morgen vor versammelter Presse behaupten, er sei zur Überzeugung gelangt, die Erde sei eine Scheibe und der Mond wahrscheinlich aus grünem Käse – wer würde sich noch wundern? Seine Statements sind voller Absurditäten ohne Bezug zur Realität.
Ob es sich um Kriminalstatistik, Anteile einzelner Ethnien an der Gesamtbevölkerung oder den Klimawandel handelt: Da werden sinkende Trends zu steilen Zunahmen, Millionen zu Milliarden, Lehrbuchwissen einfach vom Tisch gewischt. Als wäre er die amerikanische Antwort auf Pippi Langstrumpf: „Ich mach mir die Welt, widde-widde-wie sie mir gefällt.“
Trump ist so etwas wie die Endausbaustufe einer Haltung, die Fakten zunächst (oft wider besseres Wissen) in Zweifel zieht, unbedeutenden Details und Nebenaspekten übergroßes Gewicht verleiht, um dann das aus Unsicher- heit und Überdruss entstehende Vakuum mit ihrer neuen Wirklichkeit zu füllen.
Das am Beginn stehende Säen von Zweifel an gesicherten Zusammenhängen ist etwa die Spielwiese all jener, die meinen, es müsse schon erlaubt sein, die Frage zu stellen, ob das Weltklima nicht doch von okkulten Mächten beeinflusst werde (Stichwort Chemtrails). Eine Taktik, die aber keineswegs auf Verschwörungstheoretiker beschränkt ist.
Das Versagen der Eliten
Der ehemalige Berater Bill Clintons und spätere Chef der US-Behörde für Arbeitsschutz, David Michaels, füllt ein ganzes Buch („Doubt is their product“– „Zweifel ist ihr Produkt“) mit Beispielen, die allerdings aus dem Wirtschaftsleben stammen. Michaels belegt Fälle, in denen sich Wissenschaftler in den Dienst von Konzernen stellen – einzig und allein, um etabliertes Fachwissen (etwa über die Toxizität von einzelnen Chemikalien oder Zigarettenrauch) zu erschüttern und in Zweifel zu ziehen.
Die Öffentlichkeit ist hoch empfänglich für solche medial entsprechend aufbereiteten Botschaften, und ehe man sich’s versieht, steht – obwohl die Faktenlage klar ist – Meinung gegen Meinung.
Die Omnipräsenz von oft bewusst herbeigeführten Auffassungsunterschieden innerhalb der Wissenschaft hat generell zu einer der Fakten überdrüssigen Gesellschaft des Nichtwissenwollens geführt, wie es der Schweizer Physiker und Philosoph Eduard Kaeser in der „Neuen Zürcher Zeitung“genannt hat. Die Eitelkeit in der Wissenschaft befeuert diesen Trend noch.
Man erinnere sich nur an die einander diametral widersprechenden, jeweils mit dem Brustton der Überzeugung vorgebrachten Einschätzungen honorigster Wirtschaftsexperten am Höhepunkt der Wirtschafts- und Eurokrise.
Das so entstehende Klima der Ohnmacht und der Ratlo-