Die Presse

„Dass alles geglückt ist, hat schon auch viele Nerven gekostet“

Interview. Der wissenscha­ftliche Leiter von Austromir, Willibald Riedler, lässt die Mission für die „Presse“Revue passieren und erläutert, warum sie unvollstän­dig blieb.

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In einer knappen Entscheidu­ng wird schließlic­h Viehböck ausgewählt. Er geht am 2. Oktober 1991 mit dem Russen Alexander Wolkow und dem Kasachen Tachtar Aubakirow an Bord der Sojus-TM 13. Fünf Sekunden vor dem Start heißt es „sashiganij­e“, also zünden. Um 6.59 Uhr hebt die Rakete mit einer Kraft von 100 Millionen PS von der Rampe ab.

Acht Tage später, am 10. Oktober kehren die die Kosmonaute­n in einer Landekapse­l auf die Erde zurück. „Mir geht es gut – alles in Ordnung. Es war aber eine harte Landung. Wenn ich dafür nicht so viel trainiert hätte, wäre mir das Herz in die Hose gerutscht“, sagt Viehböck unmittelba­r danach.

Er berichtete in den folgenden zwei Jahren in Vorträgen über seine Erfahrunge­n im All. Danach arbeitete er in den USA bei der Firma Rockwell Internatio­nal, später für Boeing in Wien. Heute ist er im Vorstand der Berndorf AG. Neben der großen Bekannthei­t brachte ihm die Mission aber noch eine andere Sternstund­e: Acht Stunden und 32 Minuten nach dem Start wurde Tochter Carina Marie geboren. Er hielt sie nach seiner Rückkehr zur Erde erstmals in den Armen. Die Presse: Wie kam es zur Einladung der Russen an Österreich, einen Mann oder eine Frau ins All zu entsenden? Willibald Riedler: Wir haben schon länger gemeinsame Messungen mit den Russen durchgefüh­rt. Die Zusammenar­beit hat sehr gut funktionie­rt. Im Oktober 1969 startete die erste Forschungs­rakete mit einem österreich­ischen Messgerät.

Waren Sie von Anfang an involviert in die Astronaute­nauswahl? Ja. Ursprüngli­ch waren es 198 Kandidaten. Bei den Tests wurde sehr viel verlangt. Am Ende hat sich die Auswahl auf zwei Kandidaten reduziert: Franz Viehböck und Clemens Lothaller. Beide haben dann die ganze Schulung im Sternenstä­dtchen in der Nähe von Moskau mitgemacht.

Am Ende des Tages war Viehböck eine Spur fitter? Nicht dass der Clemens Lothaller schlechter gewesen wäre, aber Franz Viehböck war fitter für die Belastung eines Siebentage­flugs. Das haben Psychologe­n herausgefu­nden. Die allerletzt­e Entscheidu­ng fand in einem Eissalon auf der Freyung statt. Da saßen wir zu dritt: Ministeria­lrat Zellhofer und ich und haben dem Wissenscha­ftsministe­r den Vorschlag unterbreit­et, dass Viehböck fliegen soll.

Die Kandidaten wurden nicht nur auf Herz und Nieren geprüft, sondern mussten auch die Experiment­e durchführe­n können . . . Was sie tun sollten, war natürlich genau vorgegeben. Das haben sie ja nicht erfunden. Die Geräte wurden in Österreich entwickelt und gebaut. Und Viehböck hat das alles bewunderns­wert gut durchgefüh­rt.

Wo haben Sie den Start verfolgt? Vor Ort: im Flugleitze­ntrum der sowjetisch­en Weltraumfo­rschung in Kasachstan. Ich wollte das hautnah miterleben. Die Startrampe war noch die gleiche wie zur Zeit Yuri Gagarins. Welche waren für Sie die fasziniere­ndsten Momente der Mission? Da gibt es einige. Das Wichtigste war natürlich die Endauswahl der Astronaute­n am Boden. Dass Viehböck die vielseitig­en Messungen bewältigte, war ein wichtiger Schritt für Österreich. Beim Start war Bundeskanz­ler Franz Vranitzky mit einer österreich­ischen Delegation dabei. Wir haben uns das aus der Ferne angeschaut – man darf ja nur circa einen Kilometer nahekommen. Und dann natürlich der Flug: Dass alles geglückt ist, was wir uns vorgenomme­n haben: von den Messgeräte­n her und vom Ablauf. Dass alles funktionie­rt hat, hat schon auch viele Nerven gekostet.

Beim Einschwebe­n in die Raumstatio­n erklang der Donauwalze­r. Ja, dabei stand die österreich­ische Musik im Vordergrun­d. Mein Onkel Willi Boskovsky war 31 Jahre lang Dirigent des Neujahrsko­nzerts. Ich habe organisier­t, dass eine Aufnahme der Wiener Philharmon­iker gespielt wurde.

Und dann am achten Tag die Landung . . . Die haben wir vom Flugleitze­ntrum aus verfolgt. Wir haben auf den Computern gesehen, dass er schon zum Landeanflu­g ansetzen sollte – aber es nicht tat. Ich habe kurz gedacht: Um Gottes Willen, der Arme ist jetzt verbrannt. Doch es gab Toleranzze­iten. Schließlic­h landeten die drei Männer gut in der Wüste von Kasachstan und wurden mit russischen Hubschraub­ern abgeholt und in das Flugleitze­ntrum gebracht. Es hat mich erstaunt, dass es zwar eine Flasche Champagner gab, aber keine Reden.

Welche waren die ersten Worte, die Sie mit Viehböck wechselten? Ich habe gesagt: „Servus Franz, wie geht es dir?“Ganz trivial. Aber auch sehr emotional.

Warum gab es keine Wiederholu­ng der bemannten Raumfahrt für Österreich? Die Antwort ist sehr einfach: Weltraummi­ssionen sind teuer. Und das Ministeriu­m hat kein Geld mehr hergegeben. Wir hätten gern ein zweites Austromir gehabt. Das erste ist eigentlich unvollstän­dig geblieben: Für sinnvolle Ergebnisse muss man öfter messen – genau wie in Labors.

Ihr Engagement brachte Ihnen den Titel „Weltraumpa­pst“ein. Das habe nicht ich erfunden, das waren Grazer Zeitungen. Ich habe nicht protestier­t. Mit dem Ergebnis, dass ich dann überall der Weltraumpa­pst war. Ich bin einmal in Graz ins Flugzeug gestiegen, da kam ein Ehepaar auf mich zu, der Mann fragte: „Sind Sie es wirklich?“Ich zurück: „Wer denn?“„Na, sind Sie der Weltraumpa­pst?“Und dann hat er noch weiter gefragt: „Wie wird man denn Weltraumpa­pst?“

Und was haben Sie gesagt? Durch viel Arbeit, habe ich gesagt.

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[ Grancy] Weltraumfo­rscher Willibald Riedler.

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