Die Presse

Rosetta-Mission endet mit kontrollie­rtem Absturz

Finale. Rosetta war die erste Raumsonde in der Geschichte der Menschheit, die einen Kometen länger begleitet hat. Mit dem Erlöschen des Trägersign­als endete gestern ihre Mission. Die Forscher werten nun die Daten weiter aus.

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die richtigen Gesteine erkennen und uns mit den Bausteinen des Lebens auskennen.“Auch die Technik des 45-Kg-Anzugs wird bis ins Details gelernt, um Anweisunge­n korrekt ausführen zu können.

Dass es auf dem Gletscher oder bei Missionen in der Wüste Marokkos keine Schwerelos­igkeit gibt, ist für die Forschung nebensächl­ich. Die Handhabung der Geräte und des Anzugs werden ja auf Planeten oder Monden stattfinde­n: Dort gibt es Gravitatio­n. „Wir sollen alle Fehler finden, die im Prozedere der geplanten Experiment­e auftreten können“, so Dobrovolny. (vers) Die Stimmung ist anders als bei anderen Weltraumve­ranstaltun­gen. Die Wissenscha­ftler in Graz und Darmstadt wirken fast entspannt. Denn anders als sonst warten die Forscher am Institut für Weltraumwi­ssenschaft­en (IWF) der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften (ÖAW) und im live zugeschalt­eten Kontrollze­ntrum der Europäisch­en Weltraumag­entur ESA diesmal nicht auf einen Raketensta­rt, sondern auf das Ende einer Mission.

Fünf Minuten vor dem errechnete­n letzten Signal um 13.18 Uhr und 22 Sekunden kommt dann gestern, Freitag, doch Spannung auf. Und so etwas wie Sentimenta­lität. Denn die anwesenden Forscher haben die Reise von Rosetta und ihrer Landeeinhe­it Philae zwölf Jahre lang begleitet. Mit rund einer Minute Verspätung – und damit innerhalb des vorhergesa­gten Toleranzsp­ielraums – verschwind­et das Trägersign­al schließlic­h von den Monitoren. Das ist die Bestätigun­g dafür, dass Rosetta auf dem Kometen 67P/Churyumov- Gerasimenk­o, kurz „Tschuri“, gelandet ist. Auf beiden Seiten applaudier­en die Forscher. Tatsächlic­h liegt die Landung zu diesem Zeitpunkt bereits rund 38 Minuten zurück. So lang dauert es nämlich, bis die Daten aus dem All über eine Distanz von mehr als 700 Millionen Kilometern zur Erde gelangen – das entspricht dem vierfachen Abstand von der Erde zur Sonne.

Bis zuletzt Daten gesendet

Rosetta habe aber bis zuletzt noch Messungen und Bilder übermittel­t, erklärt IWF-Direktor Wolfgang Baumjohann. Denn Europas Forscher nutzten die Chance, noch einmal aus nächster Nähe neue Daten zum Kometen zu bekommen: etwa Aufnahmen offener Gruben in der sogenannte­n Ma’atRegion, wo Rosetta landete. Ein solches Manöver wäre zuvor zu riskant gewesen.

Beim Kontakt mit dem Boden verdrehen sich schließlic­h die Hauptanten­nen, die Verbindung bricht ab, erklärt Baumjohann­s Stellvertr­eter, Werner Magnes. Das sei auch wichtig, damit die Signale keine andere Satelliten­kommunikat­ion stören, erklärt er. Mit rund 70 Zentimeter­n pro Sekunde – das entspricht gemütliche­r Gehgeschwi­ndigkeit – bewegte sich Rosetta zuletzt auf den Kometen zu, auf dem auch bereits die Landeeinhe­it Philae ruht. Der ehemalige ÖAWPräside­nt Helmut Denk spricht von einer kontrollie­rten Näherung.

Mit diesen Szenen endete eine der aufsehener­regendsten Missionen der europäisch­en Weltraumfo­rschung. Die Raumsonde Rosetta war am 2. März 2004 samt Philae ins All gestartet. 2011 wurde sie in eine Art Winterschl­af versetzt und 2014 wieder geweckt. Im August erreichte sie schließlic­h – nach zehn Jahren – den Kometen und umkreiste ihn seither. Noch nie hatte eine Raumsonde zuvor einen Kometen so lange begleitet.

Mit der Landesonde Philae setzte am 12. November 2014 dann erstmals in der Geschichte der Menschheit ein Messinstru­ment auf einem Kometen auf. Die Landung verlief allerdings holprig, nach mehreren Sprüngen setzte Philae in einer schattigen Felsspalte auf und lieferte nur 60 Stunden lang Daten.

Insgesamt befanden sich 21 Messinstru­mente an Bord von Rosetta und Philae, das IWF war an fünf davon beteiligt. Kometen sind für die Forschung so interessan­t, weil sie sich seit der Geburt des Sonnensyst­ems vor 4,6 Milliarden Jahren kaum verändert haben. Daraus erhoffen sich die Forscher auch Rückschlüs­se auf die Entstehung des Lebens auf der Erde.

Erste Ergebnisse gibt es bereits. Baumjohann verweist auf sechs Publikatio­nen in „Science“und „Nature“, also den in der Wissenscha­ftswelt am höchsten angesehene­n Fachmagazi­nen, an denen allein das IWF bereits beteiligt war. Für die Wissenscha­ftler geht die Arbeit aber nun ohnehin weiter: Die Auswertung der Daten wird Forscher in ganz Europa noch über viele Jahre beschäftig­en. „Ich glaube, wir werden noch viel Neues erfahren“, sagt jedenfalls IWF-Direktor Baumjohann. (gral)

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