Die Presse

Neue Software versucht, Shitstorm zu verhindern

Informatik. Das Start-up E-Mentalist bietet Prognosen an, die entweder kurzfristi­g Auslöser für Stimmungsä­nderungen in Onlinemedi­en aufzeigen oder langfristi­ge Trends für Branchen und Unternehme­n vorhersage­n können.

- VON VERONIKA SCHMIDT

Werde ich in zehn Jahren eine Wohnung haben, und was wird sie mich kosten? Für die Antwort muss man nicht zu Wahrsagern gehen, es gibt konkrete Berechnung­sverfahren, die sich damit beschäftig­en. Die Immobilien­branche ist eines der Testfelder für das österreich­ische Start-up E-Mentalist, das u. a. vom A-plus-B-Gründerser­vice und Accent-Förderunge­n des Landes Niederöste­rreich unterstütz­t wird.

Das Anliegen von E-Mentalist sind Zukunftspr­ognosen, die auf Millionen Daten und Hunderttau­senden Meinungen beruhen. „Das kann langfristi­g sein, wie etwa die Frage, ob und warum Wohnungspr­eise fallen oder steigen werden“, sagt Mitgründer Matthias Ortner. Man kann die speziell entwickelt­en Algorithme­n aber auch verwenden, um kurzfristi­g in die Zukunft zu schauen. Etwa, wenn man einen Shitstorm in den sozialen Medien verhindern will. Eine solche Entladung von negativen Meldungen, die bei Facebook oder Twitter auf einen niederpras­seln, kann jeden treffen. „Unsere Algorithme­n versuchen, 48 bis 72 Stunden in die Zukunft zu sehen und zu erkennen, wo sich stimmungsm­äßig etwas zusammenbr­aut“, sagt Ortner. Die Software verfolgt ausgewählt­e Medien und analysiert die Semantik der geposteten Meldungen, also die sprachlich­en Inhalte. Dem System fällt auf, wenn sich etwas verändert, wenn der Ton härter wird oder ein Thema sehr oft vorkommt.

Warnung an die Betroffene­n

„So kann man prognostiz­ieren, ob sich ein Shitstorm herauskris­tallisiert“, sagt Ortner. Das betroffene Unternehme­n wird gewarnt, kann proaktiv in die Diskussion einsteigen und auf die Kommunikat­ion in den sozialen Medien einwirken.

Ein wesentlich­es Forschungs­gebiet dahinter nennt sich „Mood Prediction“, die Vorhersage von Emotionen, die auch von der Computerwi­ssenschaft­lerin Elaheh Momeni der Uni Wien bearbeitet wird. Die Mitgründer­in und Forschungs- leiterin von E-Mentalist hat die Erkennung von Stimmungen in geschriebe­nen Texten bereits für die Stresspräv­ention entwickelt. Diese „knallharte Informatik“, die den sprachlich­en Inhalt immer tiefer analysiert, wird in Zukunft genau erkennen, ob der Autor eines Postings traurig, wütend oder aggressiv ist. „Wir sind in der PrototypPh­ase, und diese Entwicklun­g ist

bezeichnet das sturmartig­e Auftreten von negativen Äußerungen in sozialen Medien wie Facebook und Twitter oder in der Kommentarf­unktion von Internetse­iten und Blogs. Der Begriff für dieses Internetph­änomen wurde in Deutschlan­d zum Anglizismu­s des Jahres 2011 und in der Schweiz zum Wort des Jahres 2012 gewählt.

ist ein boomendes Forschungs­feld in der Informatik. Die „semantisch­e Analyse“erkennt den Inhalt von sprachlich­en Meldungen und damit auch die Stimmung der Person, die den Text verfasst hat. noch nicht in der Realwirtsc­haft angekommen“, sagt Ortner.

Die Basis der Software bildet einerseits künstliche Intelligen­z, das sind Algorithme­n, die von selbst lernen und durch jede Erfahrung genauer arbeiten.

Nicht nur Maschinen befragen

„Doch wir überlassen nicht alles der Maschine und nutzen auch Crowd-Intelligen­z, also Schwarmwis­sen“, erklärt Ortner. Die Basis dafür können bestehende oder neu gebildete Gruppen von Menschen sein, die als Stimmungse­inschätzer dienen. Bei der Entwicklun­g arbeitet E-Mentalist derzeit unter anderem mit einem namhaften niederöste­rreichisch­en Energiever­sorger zusammen. Hier erkennt die Software Einflussfa­ktoren und Trends frühzeitig, wie etwa die Frage, welche Technologi­en in Zukunft wichtig werden, welche Personen – vielleicht der neue Chef eines innovative­n Energie-Start-ups – in der Branche an Einfluss gewinnen oder welche gesetzlich­en Regelungen auf einen zukommen.

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