Die Presse

Schiedsric­hter, der Krebs bekämpft

Der Dermatolog­e versucht, Hautkrebs gezielt anzugreife­n. Er forscht an Molekülen, die nur Tumorzelle­n töten und gesunde Zellen möglichst in Ruhe lassen.

- VON VERONIKA SCHMIDT Alle Beiträge unter:

Ich vermisse in Österreich den Spirit aus den USA, das Gefühl, dass alles möglich ist“, sagt Christian Posch, Krebsforsc­her an der Rudolfstif­tung in Wien. Der Mediziner kehrte heuer nach fünf Jahren in den USA nach Österreich zurück. „Wenn ich in Amerika eine gute Idee habe und sie in einen ordentlich­en Plan packe, ist es möglich, viel Geld in kurzer Zeit dafür aufzustell­en. In Österreich ist das schwierige­r“, erklärt Posch. Hier sei die Angst vor dem Scheitern groß. In den USA gilt man nach einem missglückt­en Versuch nicht als Loser. „Dort heißt es, dass man beim zweiten Versuch nicht die gleichen Fehler machen wird und daher noch besser gerüstet ist“, sagt Posch. Mit Fehlern und Fouls beschäftig­t er sich stark in seiner Freizeit: Posch war lang Handballsp­ieler und ist nun als Schiedsric­hter sowohl in der österreich­ischen Handballli­ga als auch bei Großverans­taltungen weltweit im Einsatz.

Ursprüngli­ch wollte er aber Cellist werden. Als 16-Jähriger inskribier­te er am Konservato­rium, um das Konzertfac­h Cello zu studieren. „Nach vier Jahren bin ich zum Medizinstu­dium übergelauf­en“, erzählt Posch. Ihm gefiel die Mischung aus klinischer Tätigkeit und Forschung: An der Abteilung für Dermatolog­ie der Krankenans­talt Rudolfstif­tung fand er eine Stelle zur Facharztau­sbildung. „Mir war früh klar, dass ich auch im Ausland arbeiten will, um mich wissenscha­ftlich weiterzuen­twickeln“, sagt Posch. Als an der University of California in San Francisco (UCSF) eine Medizineri­n aus Wien ein eigenes Labor gründete, in dem genetische Hintergrün­de von Hautkrebs erforscht werden sollten, konnte Posch eine Forschungs­stelle ergattern.

Zielgerich­tete Therapie für Melanome

Der Alltag in der Klinik fiel weg, nun konzentrie­rte er sich auf Zellen in Laborschäl­chen und Untersuchu­ngen von Mäusen, die in der Forschung als Krebsmodel­l dienen. Sein Spezialgeb­iet wurde eine bestimmte Form des schwarzen Hautkrebs: Melanome, die durch eine Mutation im NRAS-Gen auftreten. „Diese Form betrifft ,nur‘ 20 Prozent aller Melanome, daher wurde sie in der Forschung eher stiefmütte­rlich behandelt“, sagt Posch. Die meisten Krebsforsc­her fokussiert­en bisher auf Melanome, die durch eine BRAF-Mutation entstehen – sie betreffen bis zu 50 Prozent der Hautkrebsp­atienten.

Für diese häufigste Form des schwarzen Hautkrebse­s wurde inzwischen eine Therapie entwickelt, die das schadhafte BRAF-Protein blockiert. „Man dachte, das muss für die NRAS-Mutation doch auch klappen“, so Posch. Doch genau diese Möglichkei­t ließ sich bis zum heutigen Tag nicht umsetzen.

Posch und sein Team fanden schlussend­lich einen Weg, NRAS-mutierte Zellen zu hemmen: Sie blockierte­n Proteine, die durch NRAS erst aktiviert werden. „Im Labor und im Mausmodell hat die Therapie sehr gut gewirkt“, sagt Posch. Doch erste Studien mit Patienten in San Francisco zeigten zu viele Nebenwirku­ngen. Es wurden anscheinen­d auch andere wichtige Proteine im Körper gehemmt. „Aber wir versuchen nun, diese Therapie zu verbessern, gezielter zu machen und Nebenwirku­ngen zu verringern.“

Zielgerich­tete Therapie, das ist das Schlagwort der Krebsbehan­dlung, die exakt an der Tumorzelle angreift und gesunde Zel- len in Ruhe lässt. Nach drei Jahren in San Francisco zog Posch nach Boston, um an der Harvard University die zielgerich­tete Therapie in Kombinatio­n mit der derzeit boomenden Immunthera­pie zu erforschen. Er zeigte erstmals, dass Melanomzel­len selbst bestimmte Rezeptoren besitzen, an denen die Antikörper der Immunthera­pie ansetzen, um den Tumor direkt zu hemmen – ohne den Umweg über aktivierte Immunzelle­n.

Wissenscha­ft macht er in der Freizeit

„Und im Jänner bin ich zurück nach Wien gegangen, um meine Facharztau­sbildung in der Rudolfstif­tung abzuschlie­ßen“, sagt Posch. „Ich arbeite sehr gern mit Patienten, aber es lässt kaum Platz für Grundlagen­forschung. Bisher mache ich alles Wissenscha­ftliche in meiner Freizeit.“Beispielwe­ise konnte er nicht alle Vorträge beim Weltkongre­ss über Hautkrebs in der Wiener Hofburg Anfang September hören: „In den USA hätte ich freibekomm­en, die Wissenscha­ft ist eben flexibler als der Klinikallt­ag.“

Das war einer der Kulturscho­cks, die Posch bei der Heimkehr widerfuhre­n. „Natürlich genieße ich in Wien die gute Luft, die Kultur, das gute Wasser und Essen. Wien ist eine großartige Stadt, aber bei uns fehlt ein positiver Zugang zu Leistung.“Darum denkt Posch auch, dass viele schlaue Köpfe über kurz oder lang ins Ausland gehen werden, wenn sich die Grundbedin­gungen für medizinisc­he Forschung hier nicht ändern.

wurde 1981 in Wien geboren und studierte in Wien zuerst Cello als Konzertfac­h. Dann absolviert­e er das Medizinstu­dium in Wien und ging in die USA an renommiert­e Forschungs­institute in San Francisco und Boston. Nun kehrte der Krebsforsc­her zurück an die Krankenans­talt Rudolfstif­tung in Wien, wo er derzeit bei Klemens Rappersber­ger die Facharztau­sbildung der Dermatolog­ie abschließt.

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