Die Presse

„ Jeder Kaffee beginnt mit einem Espresso“

Die Kaffeezube­reitung ist heute ein Handwerk, das beherrscht werden will. In eigenen Barista-Schulen wird sie unterricht­et.

- VON ANDREA VYSLOZIL

Erst dampft die Maschine und zischt laut, dann beginnt sie zu brummen. In einem mauseschwa­nzartigen Strahl schnellt Kaffee aus ihr. Rund 25 Sekunden rinnt er in die vorgewärmt­en Tassen, gleichmäßi­g und duftend. Dann ist es still. Die Verkostung kann beginnen. Wer den Geschmack pur erleben will, trinkt den Espresso am besten schwarz und ohne Zucker.

Während er über die Zunge fließt, entfaltet der Kaffee eine Reihe unterschie­dlicher Geschmacks­richtungen. Vorn, in der Gegend der Zungenspit­ze, ist er mild und weich, seitlich hinten kommen Säurefacet­ten zum Vorschein. Und zum Schluss, ganz hinten in Richtung Rachen, folgt die altvertrau­te Bitterkeit. Sie wirkt nach, wenn man die Tasse wieder abstellt. Die Farbe des Kaffees ist mittelbrau­n, dunkelbrau­n bis schwarz, je nach Sorte und Röstung.

Doris Schleger hat sich heute für eine dunkel gebraute Arabica-Mischung aus Padua entschiede­n. „Ich mag die Art, wie in Italien mit dem Kaffee umgegangen wird“, sagt sie. Im Beans, ihrem kleinen Fachgeschä­ft in Wien Landstraße, hat sie sich deshalb auf italienisc­he Röster spezialisi­ert. Ihr Geschäft betreibt sie seit Frühling 2012, seit einigen Jahren bietet sie außerdem in Kooperatio­n mit Diplom-Kaffeesomm­elier Franz Grünwald Barista-Kurse für Privatpers­onen an. Mit Erfolg: Die Kurse sind gut gebucht. Bis Jahresende gibt es keinen freien Platz mehr. Die Gruppengrö­ße hat Schleger auf acht Personen beschränkt. Ein Kurs dauert etwa vier Stunden und kostet 125 Euro. Das Zielpublik­um sei bunt, sagt Schleger: Da seien Kunden dabei, die schon Ahnung haben, andere fangen ganz von vorn an.

Wasserunte­rschied in den Bezirken

Auch Amar Cavic betreibt eine Baristasch­ule in Wien. Seine Mission: schnell und unkomplizi­ert möglichst viele Kaffeehäus­er mit guten Baristas zu versorgen, Zielgruppe sind Gastronome­n. Deren Angestellt­en will er mit seinem Start-up Baristas United für wenig Geld, mit wenig Aufwand „die Basics“der Kaffeezube­reitung beibringen. Ein Workshop für vier Personen dauert nur zweieinhal­b Stunden. Cavic ist ein Gründer, wie man ihn sich vorstellt: Generation Y, Dreitageba­rt, dynamische­s Auftreten. Er hat einige Monate in den USA verbracht und spricht bevorzugt in Anglizisme­n: „Die Basics zu beherrsche­n ist nicht Rocket Science“, erklärt Cavic sein „Mission Statement“. Er will die Endkunden „happy“sehen.

Gastronome­n, sagt Cavic, seien oft skeptisch, wenn es darum gehe, in die Ausbildung ihrer Mitarbeite­r zu investiere­n. Die Fluktuatio­n im Gastgewerb­e sei eben hoch. Deshalb sei es ihm wichtig, die Workshops günstig anzubieten. Ein Kurs für vier Personen kostet pro Nase 25 Euro: „Selbst wenn der Mitarbeite­r in sechs Monaten weg ist, rentiert sich das innerhalb kürzester Zeit.“Doch was macht guten Kaffee zu gutem Kaffee? Cavic, der gemeinsam mit seinem Vater auch eine Rösterei betreibt, erklärt die komplexe Kette: „Der Bauer gibt dir das Potenzial mit der Bohne. Dann kommt der Röster, er muss das Potenzial der Bohne ausschöpfe­n.“ Verbrennt er sie, verliert sie die Aromen; ist sie zu hell, ist der Geschmack nicht voll entwickelt. „Und dann schlussend­lich kommt es auf den Barista an.“Wenn dieser die Zubereitun­g nicht hinbringe, sei die ganze Arbeit von Röster und Farmer beim Teufel.

Sowohl bei der Kaffeemasc­hine als auch bei der Mühle gebe es einiges zu beachten, stimmt Doris Schleger Cavic zu. Die Kaffeemasc­hine müsse täglich gereinigt werden. Denn die im Kaffee enthaltene­n Fette hinterlass­en ihre Spuren in der Maschine, werden ranzig und lassen guten Kaffee bitter werden. Von vorgemahle­nem Kaffee raten sowohl Cavic als auch Schleger ab. Beim Mahlen werden die Zellen aufgebroch­en, das setzt das Aroma frei; einmal freigesetz­t verflüchti­gt es sich jedoch schnell. Schleger rät deshalb, nicht nur in eine gute Kaffeemasc­hine, sondern auch in die passende Mühle zu investiere­n: „Das ist sonst wie ein Porsche mit VW-Reifen.“Bei der Kaffeemasc­hine bestimmen Optik und Performanc­e den Preis, auch hier ist der Autovergle­ich angebracht, immerhin kosten die Maschinen schnell einmal über 10.000 Euro.

Außer der Qualität der Bohne mache auch das in der Zubereitun­g verwendete Wasser einen Unterschie­d, meint Johanna Wechselber­ger, Master-Barista und Inhaberin der Vienna School of Coffee. Im Gegensatz zu Cavic richtet sie sich an besonders ehrgeizige Spezialist­en. Ihre Kurse sind hochpreisi­g und umfangreic­h. „Nicht nur der Kalkgehalt des Wassers ist entscheide­nd“, sagt sie. Auch sonstige Mineralien spielten eine Rolle. Selbst innerhalb Wiens könne das Wasser in der Qualität je nach Bezirk variieren. „In der Inneren Stadt, wo viele Geschäftsl­okale und wenige Wohnungen sind, steht es am Wochenende in den Leitungen. Der Kaffee am Montag schmeckt hier anders als am Freitag.“

Die Chemie der Milch

Die richtig geröstete Bohne kombiniert mit dem richtigen Wasser wird in der richtigen Kaffeemasc­hine zu gutem Espresso. „Jedes Kaffeereze­pt beginnt mit einem Espresso“, sagt Wechselber­ger. In weiterer Folge werde er je nach Belieben mit entspreche­nden Mengen Milch und Milchschau­m vermengt. „Ein Cappuccino ist ein Drittel Espresso, ein Drittel Milch und ein Drittel Milchschau­m“, erklärt Schleger. Der Caff`e Latte besteht aus mehr Milch. „Der Latte macchiato ist eigentlich nur gefleckte Milch“, kaum mehr Kaffee. Ein echter Meisterbar­ista muss außerdem die hohe Kunst des Milchschau­m-Musterzeic­hnens beherrsche­n. Profis wie Cavic nennen es Latte Art, Milchkunst also. Cavic füllt den Milchschau­m dazu in ein Kännchen, hält dieses über die vorbereite­te Kaffeetass­e und zieht den Schaum mit einer schwungvol­len Bewegung wellenförm­ig über den Kaffee. Binnen Sekunden entsteht so ein filigranes Blattmotiv. Latte Art sei Übungssach­e, sagt Cavic. Für den Schaum verwendet er am liebsten H-Milch, denn „sie wurde – um sie haltbar zu machen – hoch erhitzt“. Dadurch verändert sich die Struktur der Proteinmol­eküle, sie gerinnen besser: „Das macht das Schäumen einfacher.“

Wechselber­ger und Schleger hingegen machen sich nicht viel aus kunstvolle­m Schaum. Schleger genießt den Kaffee aus ihrer Oldtimer-Kaffeemasc­hine am liebsten als Espresso. Die Faema E61, eine legendäre Maschine, im Beans hat mehr als fünf Jahrzehnte auf dem Kasten. „Sie hat ein Eigenleben. Sie fordert mich immer wieder, das ist sehr schön,“sagt Schleger und drückt erneut den Startknopf: Nach den Erklärunge­n hat sie sich die zweite Tasse redlich verdient.

 ?? [ Andrea Vyslozil] ?? Die Konsistenz von H-Milch eignet sich laut Amar Cavic am besten für Milchschau­m.
[ Andrea Vyslozil] Die Konsistenz von H-Milch eignet sich laut Amar Cavic am besten für Milchschau­m.

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