„Fairtrade wird den Klimawandel nicht verhindern können“
Natürliche Einflüsse stellen die Zukunft des Produkts infrage – im Anbau und Konsum gleichermaßen.
Die Legende erzählt von einem Hirtenjungen, der seine Ziegen in der äthiopischen Provinz Kaffa hütete. Er ließ die Tiere der Herde gern bei einem Baum mit kleinen roten Kirschen darauf weiden; und er beobachtete, dass die Ziegen, fraßen sie von den Kirschen, immer ganz, nun ja, aufgekratzt waren.
Kaffee, nach der äthiopischen Region benannt, stammt nicht nur aus Äthiopien, sondern aus allen Ländern entlang des „Bohnengürtels“– selbst wenn Äthiopien das einzige Land geworden ist, in dem die Pflanze in wilder Form wächst. Die Riesen im Export sind Brasilien, Vietnam und Kolumbien; am Äquator wächst der Kaffee besonders gut. Und nicht mehr nur Ziegen schätzen die roten Beeren. „Kaffee ist ein Trendprodukt geworden“, sagt Hartwig Kirner.
Der Geschäftsführer von Fairtrade Österreich hätte jeden Grund, sich zu freuen – immerhin ist das abgesetzte Volumen an Fairtrade-Kaffee seit der Gründung der Marke in Österreich im Jahr 1993 jährlich größer geworden, das Fairtrade-Siegel immer verbreiteter. Mittlerweile führen es 150 Kaffeesorten in Österreich, 3136 Tonnen Fairtrade-Rohkaffee konsumierten die Österreicher im vergangenen Jahr.
Arabica-Anbau gefährdet
Doch Kaffee ist ein Luxusprodukt. Noch dazu ein natürliches – der Markt ist somit großen Schwankungen unterworfen, sowohl im Ökonomischen als auch im Ökologischen. Kirner erinnert da an das Jahr 2011: „Damals waren die Preise beispielsweise extrem hoch, weil die Ernte in Brasilien schlecht war – und weil in der Finanzkrise viel Geld in den Handel mit Rohstoffen floss. Viel Liquidität auf dem Markt lässt die Preise steigen.“Kaffee ist nach Erdöl immerhin der zweitwichtigste Exportrohstoff. Kirner spricht auch vom Kaffeerost, einem Pilz, der Kaffeepflanzen befallen kann. „In den letzten zwei, drei Jahren war Kaffeerost ein riesiges Problem, primär in Lateinamerika.“Eine Erinnerung daran, dass Kaffee einfach kein Industrieprodukt ist.
Kurzfristige Veränderungen auf dem Markt seien zwar nicht auf den Klimawandel zu schieben, sagt Kirner: „Das wäre billig, das wäre unseriös. Preisschwankungen von einem Jahr zum anderen sind nicht mit dem Klimawandel zu erklären.“Der Klimawandel spielt aber unumstritten eine Rolle für das Genussprodukt, dessen Ursprung dort liegt, wo die Kaffeepflanzen rund ums Jahr Tag und Nacht ein ausgeglichenes Klima, viel Schatten und einen nährstoffreichen Boden finden.
Die Fairtrade-Linien in Australien und Neuseeland ließen vom Climate Institute untersuchen, wie stark der Klimawandel die Kaffeeernten beeinflussen könnte: Bis 2050, fand man da, könnten die Anbauflächen um die Hälfte schrumpfen. Die Preise würden dann freilich in die Höhe schnellen, die Bohnenqualität sinken. Auch durch die steigenden Temperaturen direkt gerät die Qualität der Bohnen in Gefahr. Der Kaffee reift dann schneller. Schädlinge und Krankheiten verbreiten sich bei höheren Temperaturen ebenfalls rascher.
„Die Gefahr ist, dass der Anbau des Arabica-Kaffees, der in höheren Lagen wächst, schwieriger wird“, sagt Fairtrade-ÖsterreichMann Kirner. Arabica, Hochlandkaffee, ist die edlere – mildere, aromatischere – der beiden verbreiteten Sorten, die andere ist Robusta, Tieflandkaffee, mit einem höheren Koffeingehalt und stärkerem Geschmack. Der arbeitsintensivere Hochlandkaffee nimmt 60 Prozent des Marktes für sich ein, die restlichen entfallen auf Robusta. „Das Problem ist, dass Arabica meist in sehr hohen Regionen angebaut wird. Der Klimawandel hat in diesen Berglagen heftige Konsequenzen: Unwetter, Bodenerosion“, erklärt Kirner.
Rechtzeitig Maßnahmen ergreifen
Fairtrade ist nun nicht dezidiert eine Umweltorganisation, sondern setzt sich eben für faireren Handel zwischen Kaffeebauern und Abnehmern ein; die Organisation regt Kleinbauernfamilien dazu an, sich zu demokratischen Kooperativen zusammenzuschließen und so bessere Preise zu erreichen. Doch Fairtrade scheint bewusst zu sein, dass auch in puncto Klimawandel eine gesellschaftliche Veränderung notwendig ist. „Wir als Fairtrade werden den Klimawandel nicht verhindern können“, sagt Kirner, „wichtig ist aber, dass die Bauern rechtzeitig in Maßnahmen investieren, die dem Schlimmsten zuvorkommen: robustere Pflanzen, die nötige landwirtschaftliche Technik.“
Die Fairtrade-Kooperativen verpflichten sich schon jetzt dem Schutz natürlicher Ressourcen; gefährliche Pestizide sind unter dem Siegel verboten, kein gentechnisch verändertes Saatgut darf verwendet werden. Der Verband ruft seine Kaffeekonsumenten zudem zu umweltbewussterem Einkaufen auf.
Der Report zum Klimawandel und dessen Einfluss auf die Kaffeewirtschaft scheint aber nicht nur für Fairtrade-Kaffeebauern selbst zukunftsweisend zu sein. Die geeigneten Regionen am Äquator könnten derart schrumpfen, dass sich der Anbau verschöbe – in Regionen hinein, die im Moment anders bewirtschaftet (oder geschützt) werden. Und: Bis 2080 könnte selbst der wilde Kaffee ganz verschwunden sein. Was würden dann die Ziegen machen? (red.)