Jubiläum auf der alten Majestät
Großvenediger. Vor 175 Jahren wurde er zum ersten Mal bestiegen. Seither ist er zwar geschrumpft – und doch einer der beeindruckendsten Gletschergipfel der Ostalpen. Von dünner Luft, den alten Geschichten von der Expedition der Erstbesteiger und den surre
Vor dem Gletscher wird es plötzlich leise. Die Anfahrt im Haflinger, dem alten Geländefahrzeug, die war noch laut und lustig, der Abend davor, die Jubiläumsfeier zur Erstbesteigung vor 175 Jahren genauso, obwohl die Pinzgauer den Gästen aus dem Flachland gegenüber noch scherzten. Dass man den Venediger – mit F, wie man das hier ausspricht – ja nicht unterschätzen dürfe. Dass er sich ja nie trauen würde, sagt einer, erinnert an die riesigen Gletscherspalten, über die man mitunter auf allen vieren auf einer Leiter klettern muss, an den luftigen Grat zum Gipfel, witzelt von Hubschraubern, die man immer wieder zu Rettungseinsätzen fliegen sieht.
Da war das alles noch ein Scherz. Aber heute, auf der ersten Etappe, dem Weg zur Kürsinger Hütte über einen leichten Klettersteig, da werden plötzlich alle leise. Der Bach tost, der Anstieg durch das Gletscherkar von Fels zu Fels geht anfangs leicht dahin.
Früher, in der Zeit der Erstbesteigung, lag hier noch meterhoch Eis und Schnee. Überhaupt ist die Anreise heute ungleich gemütlicher. Ohne Haflinger-Taxi bis zur Talstation der Materialseilbahn, ohne warmer Hütte als Lager für die Nacht, ohne sicher präpariertem Klettersteig und ohne moderner Ausrüstung ist die damalige Seilschaft am 3. September 1841 angerückt. Beziehungsweise, angerückt ist die 40-Mann-Expedition schon früher, schließlich hatten sie zusätzlich rund 20 Kilometer Anmarsch von Neukirchen durch das Obersulzbachtal zu bewältigen – und der Gletscher reichte viel weiter nach unten. Die Jahreszahlen, wo er einst begann, stehen heute auf Schildern entlang des Wegs. Allein über den Gletscherschwund der eigenen Lebenszeit steigt man Stunden. Darüber mussten sich die Erstbesteiger, die sich damals auf den Weg gemacht haben, keine Gedanken machen. Vor 175 Jahren war das noch unbekanntes Land, das nie zuvor ein Mensch betreten hatte – zumindest niemand, der es für dokumentationswürdig gehalten hätte.
Hauptsache, schneller als die Wiener
In den Anfangsjahren des Alpinismus war das Besteigen der „weltalten Majestät“, wie man den höchsten Berg Salzburgs heute noch nennt, quasi patriotische Pflicht. Die Erstbesteigung des Großglockners lag schon 40 Jahre zurück, als Ignaz von Kürsinger, der damalige Rechtspfleger von Mittersill, die Erstbesteigung des Venedigers zur „nationalen Angelegenheit des Oberpinzgaus“erklärte und via Zeitung zur Teilnahme an der Ex- pedition aufrief. Schließlich hatten schon zuvor unter anderem junge Wiener geplant, den Gipfel zu erklimmen, denen wollte er zuvorkommen. Frühere Versuche, den Venediger zu besteigen, waren gescheitert. Im August 1928 etwa musste eine Expedition, darunter Erzherzog Johann, nach einem Lawinenabgang umkehren. Schließlich war die Besteigung damals deutlich schwieriger: Das Eis am Gipfel ist seither um rund 15 Meter abgeschmolzen, der letzten Messung nach liegt dieser heute auf 3657 Metern, die Höhe musste nach unten korrigiert werden. Das Eisvolumen beträgt Schätzungen nach heute ein Viertel dessen von 1850. Heute gilt die Großvenediger-Tour als konditionell herausfordernd – technisch ist sie nicht schwierig. Allerdings, so Emil Widmann, der Chef der örtlichen Bergführer und Hüttenwirt, „der Berg hat seine Tücken“. Er nennt ihn „einen gutmütigen Gletscherkönig“, aber es geht ins Hochgebirge und über spaltenreiches Gletschergelände. Ohne Bergführer, Seilschaft oder gar allein zu gehen, sei streng tabu – es passiert aber trotzdem immer wieder.
Schließlich sind Hochtouren wie diese heute fast Breitensport. Allein von der Kürsinger Hütte aus, einem der drei gängigen Wege, haben die Bergführer voriges Jahr rund 550 Leute auf den Gipfel gebracht. Die Zahl hat sich innerhalb der vergangenen zehn Jahre verdreifacht. Und wenn man