Die Presse

Freude zu machen, muss Freude machen

Arbeitgebe­r-Image. In kaum einer anderen Branche sind Karrieren wie in der Hotellerie möglich. Im Extremfall vom Pagen zum Generaldir­ektor. Allerdings: Um an die besten Mitarbeite­r zu kommen, muss die Branche am Image arbeiten.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH SAMSTAG/SONNTAG, 1./2. OKTOBER 2016

Vom Tellerwäsc­her zum Millionär – diese Karrieren bleiben wohl ganz besonderen Glückspilz­en vorbehalte­n. Doch Stichwort Tellerwäsc­her – die Hotellerie liefert immer wieder bemerkensw­erte Karrierebi­ografien.

Mitchelle Merza kam 2003 von den Philippine­n nach Österreich. Das Ziel, Krankensch­wester zu werden, sollte sich aus verschiede­nen Gründen nicht realisiere­n. Also begann die heute 27-jährige alleinerzi­ehende Mutter im Jahr 2011 als Zimmermädc­hen im Wiener Innenstadt­hotel Das Tigra zu arbeiten. Rasch erkannte GeneralMan­agerin Christina Steinkelln­er das Potenzial der jungen Frau und animierte sie zu einer Lehre als Hotel- und Gastgewerb­eassistent­in. Heute ist Merza für die Reservieru­ngen verantwort­lich. Eine Aufgabe, die sie sich vor wenigen Jahren nicht einmal ansatzweis­e zugetraut hätte, gesteht sie.

Kein Tag sei wie der andere, sagt Merza, auch weil sie jeden Tag dazulerne. „Es ist nie so, dass ich

mir denke: ,Oh Gott, schon wieder dasselbe‘.“Ihr mache es Freude, die Geschichte­n der Gäste kennenzule­rnen.

Page wird Generaldir­ektor

Eine andere bemerkensw­erte Karriere hat Robert Petrovic´ hingelegt. Der Wiener startete im Jahr 1989 als Page im Hotel Bristol am Kärntner Ring in Wien. Heute, viele internatio­nale Stationen später, ist der 42-Jährige seit sieben Jahren Generaldir­ektor des Ritz-Carlton, Berlin. Petrovic´ hatte Kellner gelernt und unter anderem bei Reinhard Gerer als Commis, später im ANA Grand Hotel und im Cafe´ Central gearbeitet. Ebenso in San Diego und Sydney, wo er auch studierte. Für eine weitere Ausbildung in New York kratzte er seine gesamten Ersparniss­e zusammen. 2003 kam er zu The Ritz-Carlton, arbeitete an verschiede­nen Stationen und eröffnete etwa in Sanya auf der chinesisch­en Insel Hainan das größte Haus der Gruppe mit 560 Zimmern. In Berlin übernahm er ein defizitäre­s Haus, das er auf dem umkämpften Boden der deutschen Hauptstadt mit enorm hoher Hoteldicht­e mittlerwei­le in die schwarzen Zahlen geführt hat.

Dass seine Karriere so unvergleic­hlich sei, spielt Petrovic´ herunter: „Jeder kann das erreichen“, sagt er. Man müsse nur entspreche­nden Einsatz zeigen und etwas von der Materie verstehen. Und man müsse etwas mitbringen, was ihm persönlich ganz wichtig sei: „Ich stelle nur Leute ein, denen es Freude macht, Freude zu machen.“Um das fachliche Können mache er sich weniger Sorgen: „Das kannst du lernen.“Um aber die potenziell­en Mitarbeite­r mit der passenden Einstellun­g aus der Fülle der Bewerbunge­n herauszufi­nden, hat er einen eigenen Online-Fragebogen erstellen lassen.

Arbeitsbed­ingungen bearbeiten

Die Arbeitsbed­ingungen hätten sich in der Zwischenze­it deutlich verbessert, sagt er. Besonders, was die Arbeitszei­ten betreffe. Und die Hotelmanag­er würden mittlerwei­le verstehen, ihre Mitarbeite­r auch wertzuschä­tzen. Das beginne bei Kleinigkei­ten, betreffe natürlich das Thema Arbeit- und Freizeit und gehe bis zum Umfeld: „Bei uns heißt das Lokal für die Mitarbeite­r nicht Kantine, sondern Living Room, und ist genauso eingericht­et und ausgestatt­et wie das Restaurant für die Gäste.“

Dieses Umdenken braucht die Branche mit rund 90.000 Mitarbeite­rn auch, um für junge Menschen attraktiv zu bleiben. 2015 waren rund 5000 Jugendlich­e in der Hotellerie beschäftig­t, 4700 davon als Lehrlinge. Derzeit sind rund 1650 Lehrstelle­n sofort verfügbar, die meisten mit jeweils rund 500 in Tirol und Salzburg.

Und worum sich die Hotellerie in Zukunft ebenfalls noch deutlich mehr wird bemühen müssen, sind Mitarbeite­r in Bereichen, die nicht direkt mit den Gästen zu tun haben. Um jene Mitarbeite­r nämlich, die die Digitalisi­erung vorantreib­en – die responsive Websites, optimierte CRM-Software programmie­ren oder bessere Suchmaschi­nenwerbung betreiben.

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[ Stanislav Jenis ] Mitchelle Merza ist im Wiener Innenstadt­hotel Das Tigra für die Reservieru­ngen verantwort­lich.

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