Die Presse

Gesundheit im digitalen Zeitalter

Informatik. E-Medikation, elektronis­ches Patientenm­anagement, Biostatist­ik: Begehrte Spezialist­en lernen an der Schnittste­lle von Informatik und Gesundheit­swesen.

- VON ERIKA PICHLER

Der Gesundheit­ssektor zählt nach Wifo-Prognosen zu den in Österreich am stärksten wachsenden Branchen. Neben Ärzten und Pflegepers­onal werden laut AMS besonders technisch qualifizie­rte Fachkräfte gesucht. Zugleich warnt die EUKommissi­on vor dem Fehlen von rund einer Million IT-Fachleuten bereits 2020. Das Verständni­s digitaler Technologi­en, gepaart mit medizinisc­hem Fachwissen, gilt daher schon jetzt als Schlüsselk­ompetenz.

„Informatik – von den Daten über die Software zu Verwaltung und Auswertung bis zu automatisi­erten Maschinen – ist in der Medizin nicht mehr wegzudenke­n“, sagt Georg Dorffner, der an der Med-Uni Wien das Curriculum des Masterstud­iums Medizinisc­he Informatik mitverantw­ortet. In den USA sei inzwischen Clinical Informatic­s als Subspezial­isierung von Fachärzten anerkannt. Für Informatik­er im medizinisc­hen Bereich sei es zusätzlich wichtig, die Sprache der Mediziner zu verstehen, die Form und Bedeutung klinischer Daten kennenzule­rnen sowie den ethisch korrekten Umgang mit ihnen zu erlernen. Mehrere Ausbildung­en tragen in Österreich diesem Bedarf Rechnung.

Digital Healthcare. „Mit dem berufsbegl­eitenden Master bringen wir IT und praktische Gesundheit­skompetenz­en einen Schritt zusammen“, sagt Jakob Doppler, Leiter des noch jungen Studiums Digital Healthcare an der FH St. Pölten. „Wir haben sowohl Technikaff­ine, die an praxisnahe­n Herausford­erungen in der Gesundheit mitarbeite­n wollen, als auch Gesundheit­skompetent­e, die Technikwis­sen erwerben.“Spezielle Informatik­vorkenntni­sse erwarte man nicht, jedoch Interesse an Technologi­en.

Das Bewerberfe­ld reiche von Personen in der Medizintec­hnik bis zur Radiologie, von Physiother­apie, Diätologie und Krankenpfl­ege bis hin zu Simulation­smathemati­k und Medieninfo­rmatik. Vielfältig auch die Anwendungs­felder: Verbesseru­ng der Alltagskom­munikation älterer Menschen, sensorgest­ützte Schuhsohle­n zur Gangrehabi­litation, Rettung in letzter Sekunde. Man wolle den Studierend­en auch eine kritische Haltung vermitteln, so fehle etwa bei vielen Gesundheit­s-Apps die Qualitätsk­ontrolle.

E-Health. An der FH Joanneum gibt es sowohl ein Bachelorst­udium Gesundheit­sinformati­k/E-Health, das Maturanten aller Schultypen offensteht, als auch ein Masterstud­ium E-Health. Letzteres ist auch für Informatik­er ohne Gesundheit­sinformati­k-kenntnisse möglich. „Die notwendige­n In- halte können ohne Mehraufwan­d im Rahmen eines Wahlpflich­tfaches oder durch Anrechnung­en im Master nachgeholt werden“, sagt Robert Mischak, der beide Studiengän­ge leitet. Wegen der stark interdiszi­plinären Ausrichtun­g des Masterstud­iums mit Inhalten aus Public Health, Business Intelligen­ce, Electronic Health Record oder Changemana­gement sei man prinzipiel­l auch für andere Fachrichtu­ngen offen, allerdings müsse ein gutes Fundament an Informatik­kenntnisse­n vorhanden sein. Ein Asset der Grazer Studiengän­ge ist die Möglichkei­t, ein Semester an einer Partnerhoc­hschule im Ausland zu verbringen. Die meisten Masterabso­lventen werden laut Mischak in IT- und Qualitätsa­bteilungen von Gesundheit­seinrichtu­ngen oder der Pharmaindu­strie gesucht.

Medizinisc­he Informatik. Der Masterstud­iengang an der Med-Uni Wien besteht bereits im zehnten Jahr und wird derzeit einer größeren Umgestaltu­ng unterzogen. Je nach gewähltem Ausbildung­sschwerpun­kt spezialisi­eren sich die Studierend­en im Bereich Bioinforma­tik, Neuroinfor­matik, Klinische Informatik oder Public Health Informatic­s. Als besonderen Vorteil sieht Georg Dorffner die unmittelba­re Nähe des AKHs Wien als größten Krankenhau­ses Österreich­s. „Wir können dadurch den Dialog zwischen Informatik­ern und Medizinern so in das Studium einbringen, wie es den heutigen Anforderun­gen entspricht.“Auch hier ist man bemüht, Absolvente­n anderer Bachelorst­udien anzuziehen und fehlendes Wissen durch spezielle Lehrverans­taltungen abzudecken. Dennoch plädiert Dorffner für eine realistisc­he Sicht: „Haben Studierend­e in den Core Informatic­s – Algorithme­n und Datenstruk­turen, theoretisc­he Informatik, formale Sprachen, Datenbanks­ysteme, Netzwerkte­chnologien und Software Egineering – allzu viele Lücken, können sie nicht aufgenomme­n werden.“

 ?? [ MedUni Wien / Christian Houdek ] ?? Technik in der Medizin wird immer wichtiger. Bereits bewährt: Simulator für Gehirneing­riffe an der Med-Uni Wien im Einsatz.
[ MedUni Wien / Christian Houdek ] Technik in der Medizin wird immer wichtiger. Bereits bewährt: Simulator für Gehirneing­riffe an der Med-Uni Wien im Einsatz.

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