Die Presse

Asyl. Viele wollen Asylwerber beschäftig­en, aber kaum jemand tut es.

Arbeitsmar­kt. 68 Prozent der Unternehme­n können sich Beschäftig­ung von Flüchtling­en vorstellen, ergab eine Umfrage von Deloitte. Aber nur ein Prozent tut dies bereits. Unklarheit­en und Unsicherhe­iten sind größte Hemmnisse.

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1,65 Millionen Menschen haben von Mai 2015 bis April 2016 in den 35 Mitgliedss­taaten der Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) um Asyl angesucht. Etwas mehr als 90.000 Menschen allein in Österreich. Die OECD und das Flüchtling­shochkommi­ssariat der UNO (UNHCR) haben sich deshalb angesehen, wie Unternehme­n zur Beschäftig­ung von Flüchtling­en stehen und welchen Schwierigk­eiten sie dabei begegnen.

Eine der Schlussfol­gerungen: Viele Arbeitgebe­r würden aktuell schlicht keine betriebswi­rtschaftli­che Notwendigk­eit sehen, Asylwerber oder Flüchtling­e einzustell­en. Wenn sie Flüchtling­e einstellen, dann eher aus Gründen der sozialen Verantwort­ung als dazu, ihren Arbeitskrä­ftebedarf zu decken – das, so ergab die Studie, gelte speziell für Großbetrie­be.

Diesem Thema hat sich auch das Wirtschaft­sprüfungs- und Beratungsu­nternehmen Deloitte angenommen. Die Befragung von 325 Teilnehmer­n aus dem mittleren und oberen Management von österreich­ischen Unternehme­n vermittelt ein durchaus ähnliches Bild – mit einigen Abweichung­en. Etwa, dass 43 Prozent der Unternehme­n planen, demnächst anerkannte Flüchtling­e anzustelle­n, weitere 25 Prozent würden dies unter anderen Rahmenbedi­ngungen tun. Doch nur rund ein Prozent beschäftig­en Flüchtling­e bereits heute.

„Es ist ein ermutigend­es Zeichen, dass ein großer Teil der österreich­ischen Unternehme­r einer Beschäftig­ung von Flüchtling­en gegenüber positiv eingestell­t ist – aber das allein reicht nicht“, betont Gundi Wentner, Partnerin bei Deloitte Österreich. „Die Anstrengun­gen müssen nun primär auf den Spracherwe­rb und die Ausbildung von passenden Qualifikat­ionen gelegt werden.“

Zur Integratio­n beitragen

Für 77 Prozent der Teilnehmer liegt der Hauptgrund für eine mögliche Anstellung eines anerkannte­n Flüchtling­s darin, einen Integratio­nsbeitrag zu leisten. Auch die damit einhergehe­nde größere Vielfalt im Unternehme­n wird von mehr als der Hälfte der Befragten als positiver Effekt erachtet.

Die Unternehme­r vertreten eine klare Meinung, was es für eine vermehrte Beschäftig­ung von Menschen mit Fluchthint­ergrund braucht: mehr Transparen­z in Bezug auf die Qualifikat­ion der Asylberech­tigten (58 Prozent), klarere und einfachere rechtliche sowie regulatori­sche Rahmenbedi­ngungen (53 Prozent) sowie die einfachere Vermittlun­g von qualifizie­rten Per- sonen (46 Prozent). Diese Ergebnisse decken sich mit den OECD-/ UNHCR-Erkenntnis­sen. Die beiden Organisati­onen empfehlen, frühzeitig festzustel­len, über welche Qualifikat­ionen Flüchtling­e verfügen – idealerwei­se in einer Kooperatio­n zwischen Arbeitgebe­rn und öffentlich­en Arbeitsage­nturen. In Österreich führt das Arbeitsmar­ktservice (AMS) solche Kompetenzc­hecks durch.

Sorge um rechtliche Situation

„Derzeit gibt es noch viel Unsicherhe­it, gerade in Bezug auf die rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen. Wir brauchen schnelle und einfach zugänglich­e Beratung für die Unternehme­n, um Bedenken auszuräume­n. Fakt ist, dass anerkannte Flüchtling­e völlig freien Zugang zum Arbeitsmar­kt haben – das wissen aber viele Unternehme­n nicht“, Gundi Wentner. (red.)

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