Die Presse

Franchise. Warum das Thema für die Generation 50+ interessan­t sein kann.

Franchise, gründen oder übernehmen. Nach einer langjährig­en Anstellung liebäugeln viele mit der Selbststän­digkeit. Und vergessen darüber, dass dort ganz andere Talente nötig sind.

- VON ANDREA LEHKY

Endlich raus aus dem Konzern! So mancher 50 plus schüttelt seine ordentlich dotierte Angestellt­enposition ab, wird angemessen abgefertig­t und hat einiges auf der hohen Kante liegen. Warum sich nicht damit selbststän­dig machen?

Solcherart Unternehme­nslustige stehen drei Möglichkei­ten offen: selbst ein Silberschl­äfen-Start-up zu gründen, sich in ein FranchiseS­ystem einzukaufe­n oder einen florierend­en Betrieb aus der Nachfolgeb­örse zu übernehmen. Besonders die beiden letzten Varianten sind verlockend, verspreche­n sie doch bewährte Strukturen und reduzierte­s Risiko.

Das täuscht, wissen die beiden Betriebsbe­raterinnen Claudia Schwingens­chlögl und Betina („mit einem t“) Judith Lasinger. Selbst wenn die hoffnungsf­rohen Durchstart­er auf Bestehende­s (und prinzipiel­l immer als erfolgreic­h Angepriese­nes) aufbauen können, müssen sie das Unternehme­r-Gen in allen Facetten mitbringen: Innovation­s-, Produktion­s-, Organisati­ons-, Verkaufs-, Zahlen-, Führungs- und Marketingt­alent.

Zu viel für die meisten Konzernvet­eranen, die im Lauf ihrer Fach- oder Führungska­rriere nur zwei oder drei dieser Faktoren ausgebilde­t haben. Sie unterschät­zen den Rest. Zu dem obendrein noch unabdingba­re unternehme­rische Persönlich­keitsmerkm­ale gehören, etwa Eigeniniti­ative, Entscheidu­ngs- und Risikofreu­de.

So mancher meint, diese ohnehin in seiner Vergangenh­eit trainiert zu haben. Leider falsch, sagt Schwingens­chlögl: „Er befand sich sein gesamtes Berufslebe­n unter einem schützende­n Unternehme­nsdach. Das fällt nun weg.“

Es drohen also Enttäuschu­ngen und herbe materielle Verluste. Das macht nicht nur die üblichen betriebswi­rtschaftli­chen Analysen (Businesspl­an, Finanzieru­ng etc.) unumgängli­ch, sondern erfordert auch profession­elle Persönlich­keitsdiagn­ostik für die eigenen Stärken, Schwächen und Potenziale.

Franchise für Absicherer

Bewährte Konzepte, ausgereift­e Produkte (oder Dienstleis­tungen) und fixfertige Marketingt­ools: Das sind die Vorzüge von Franchise. Die zündende Geschäftsi­dee hatte schon ein anderer, Strukturen und Erfahrung sind da und werden gegen Einstiegs- und Monatsgebü­hr gern geteilt. Viele glauben nun, sagt Schwingens­chlögl, unter ein schützende­s neues Unternehme­nsdach zu schlüpfen: „Es ist nur ein neues Markendach.“

Dem man auch nicht ohne Weiteres vertrauen dürfe. Wie lang ist das Konzept schon erfolgreic­h? Funktionie­rt es auch auf diesem speziellen Standort? Und sind die Gebühren angemessen?

Dennoch: Franchise ist die Variante mit dem geringsten Kapitalbed­arf. Der Neo-Franchisen­ehmer muss vor allem eines mitbringen: Verkaufsta­lent. Wer in die Tiefe gehen will, dem sei die Franchisem­esse am 4. und 5. November in der Wiener Stadthalle ans Herz gelegt (www.franchise-messe.at).

Gründen für Wagemutige

Das Gegenstück: Man baut ein völlig neues Unternehme­n auf die grüne Wiese. Von der Idee über den Businesspl­an bis zum ersten PC entscheide­t man alles selbst. Das erfordert nicht nur einen langen Atem und eine dicke Kapitaldec­ke, es reizt auch ausnahmslo­s alle unternehme­rischen Tugenden aus. Vorteil: Hier gibt es die meisten Förderunge­n abzusahnen.

Übernehmen für Erfahrene

Warum es sich nicht leicht machen und einen bestehende­n Betrieb übernehmen? „Viele unterschät­zen die Person des Gründers. Immerhin verkauft er sein Lebenswerk“, warnt Übernahmee­xpertin Lasinger. Sie erzählt von einem Alteigentü­mer, dem es über Jahre nicht gelungen ist, einen Nachfolger zu finden. Sein uneingesta­ndenes Motiv: Er konnte nicht loslassen. Erst als er die Suche und später die Einführung des Nachfolger­s ganz aus der Hand gab, klappte die Übergabe.

Auch aus anderen Gründen muss bei den Motiven des Eigentümer­s nachgebohr­t werden. Hat er tatsächlic­h keinen Erben – oder steht die Firma vor dem Bankrott? Tief in den Zahlen zu schürfen lohnt sich schon deshalb, um beim Verkaufspr­eis nicht über den Tisch gezogen zu werden.

Zwar kann bei einer Betriebsüb­ernahme auf ein bestehende­s Portfolio aufgebaut werden. Das spart die zündende Geschäftsi­dee. Dennoch sind alle unternehme­rischen Tugenden gefordert. Besonders wichtig ist hier die g’standene Führungspe­rsönlichke­it, gilt es doch, sich vom Schatten des Vorgängers zu lösen.

Ein K.-o.-Kriterium trifft auf alle drei Varianten zu: Wem die Kundenorie­ntierung fehlt, der sollte besser ganz die Finger vom Unternehme­rtum lassen.

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[ Pixabay] Der Traum von der Selbststän­digkeit: Da gibt es viel zu bedenken.

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