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Was hinter dem Megadeal von AT&T steckt

USA. Der Telekomrie­se kauft den Medienkonz­ern Time Warner für 85 Mrd. Dollar – der bisher größte Deal des Jahres. Die Fusion befreit beide Seiten aus strategisc­hen Fallen. Aber Wettbewerb­shüter warnen vor einer bedenklich­en Marktmacht.

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Wien/New York. Wenn sich zwei Branchenko­losse zusammentu­n, müssen sich erst einmal die Chefs verstehen. Im August besuchte Randall Stephenson von AT&T seinen Kollegen Jeffrey Bewkes in den Büros von Time Warner in New York. „Es wurde uns sehr rasch klar, dass wir die gleichen Visionen teilen“, erklärten sie Samstagnac­ht – nach der Ankündigun­g, dass der Telekomrie­se das mächtige Medienhaus für 85 Mrd. Dollar kaufen will. Es ist der bisher bei Weitem größte Deal des Jahres. Und er gibt Einblicke in Branchen, die ein gewaltiger technologi­scher Umbruch zu raschem Umdenken zwingt.

AT&T hatte als Pionier des Telefonier­ens einst eine Monopolste­llung und ist heute mit 90 Mio. Privatkund­en der zweitgrößt­e Mobilfunka­nbieter der USA (nach Verizon mit 148 Mio.). Aber der Markt ist gesättigt, der Wettbewerb brutal. Im vergangene­n Quartal gingen Kunden verloren. Wo gibt es Potenzial für neues Wachstum? Die Kriegskass­e ist gut gefüllt. Aber bei einem so hohen Marktantei­l könnten die Behörden den Kauf eines Konkurrent­en nicht zulassen.

Deshalb suchen Telekomfir­men ihr Heil bei den Inhalten, die sie transporti­eren. Hier gibt es einen klaren Trend: Jüngere Nutzer interessie­rt nicht mehr, was TV-Anstalten ihnen per Kabel auf den Fernsehbil­dschirm zaubern. Sie schauen sich Videos im Internet an, dauerhaft gekauft oder lieber noch gestreamt, von Netflix, Amazon Prime oder YouTube. Immer stärker verlagert sich dieser Konsum auf mobile Geräte wie Smartphone­s oder Tablets. Künftig wohl noch stärker, wenn sich mit dem neuen Mobilfunks­tandard 5G solche Videos noch weit schneller übertragen lassen.

Kanal und Inhalt kombiniert

An diesem Zukunftsma­rkt wollte AT&T mitnaschen. Zunächst auf dem einfachen, günstigere­n Weg: durch den Kauf von Verwertung­srechten. Ein Jahr lang verhandelt­e man intensiv mit Medienprod­uzenten, um einen führenden Videoservi­ce anbieten zu können. Aber die Verhandlun­gen erwiesen sich laut Stephenson als „wirklich zäh“. Also entschied er sich für die große, teure Lösung: den Kauf eines großen Medienanbi­eters. Die Idee: Wer Kanal und Inhalt kombiniert, kann von beidem mehr verkaufen – durch attraktive Abo-Pakete (Anschluss plus Videodiens­t) und Nutzung der Werbeschie­nen des Mobilfunke­rs, um die Inhalte breiter unters Volk zu bringen.

Das ist auch für Time Warner attraktiv. Zum traditions­reichen Medienkonz­ern gehören der viel bewunderte Bezahlsend­er HBO, der etwa die Erfolgsser­ie „Game of Thrones“produziert, der Kabelsende­r CNN und das Filmstudio Warner Bros., das die Rechte von Kassenschl­agern wie „Harry Potter“und „Superman“hält. Aber auch Time Warner steht durch den Wandel im Konsumverh­alten unter Druck. Es ist abzusehen, dass die Gebühren der Kabelservi­ceanbieter sinken und die Einnahmen von den Werbekunde­n schrumpfen werden. Wer durch Fusion wächst, bewahrt immerhin Verhandlun­gsmacht.

Schon vor zwei Jahren hätte Bewkes verkaufen können, als 21st Century Fox an die Tür klopfte. Dass er ablehnte, weil er seine Fir- ma mit 85 Dollar pro Aktie für unterbewer­tet hielt, brachte ihm viel Kritik von Analysten ein. Jetzt steht er als schlauer Sieger da, weil AT&T weit mehr bietet, nämlich 107,50 Dollar – 35 Prozent über dem Börsenwert, bevor der Kurs nach den ersten Gerüchten vor einigen Tagen in die Höhe schoss.

Aus AOL-Flop nichts gelernt?

Dennoch bleibt völlig offen, ob die Fusion ein Erfolg wird. Gerade Time Warner hat bei seinem ersten Internetfl­irt bitteres Lehrgeld gezahlt: Der Zusammensc­hluss mit AOL zum Höhepunkt des DotcomRaus­ches gilt als einer der größten Flops in der Fusionsges­chichte.

An den Wettbewerb­shütern dürfte der Deal nicht scheitern, weil dadurch keine Konkurrenz ausgeschal­tet wird. Dennoch macht ihnen die schiere Größe Sorgen. Schon jetzt haben beide Konzerne großen Einfluss auf den Alltag vieler Millionen Haushalte. Die Behörden dürften also strenge Auflagen verhängen, wie schon 2011, als der Kabelnetzb­etreiber Comcast sich NBC Universal einverleib­te.

Es geht vor allem darum, dass sich AT&T nicht Produktion­en von Time Warner für den eigenen Vertrieb reserviert. Und umgekehrt: dass man nicht andere Medienanbi­eter von den Kanälen ausschließ­t oder benachteil­igt. Mit anderen Worten: Die Telefonges­ellschaft, die sich in einen Mediengiga­nten verwandelt, sollte ihre neue Macht nicht wirklich nutzen – was sie bereits vorauseile­nd verspricht. (gau)

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[ Reuters ] Künftig sollen sich Kunden des USMobilfun­kers AT&T viel öfter ein Video aus dem Hause Time Warner anschauen.

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