Die Presse

Eine politische Börse?

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„Politische Börsen haben kurze Beine“heißt das alte Börsenspri­chwort, aber die US-Börse wird jetzt schon lange (und auch sicher noch bis zum Wahltag, dem 8. November) von politische­n Themen getrieben. Das mag auch daran liegen, daß Trumps unkonventi­onelle Ideen immer wieder neue dramatisch­e Änderungen in der US-Wirtschaft­spolitik der nächsten Jahre bedeuten könnten und der Markt darauf nolens volens reagieren muss. Ich halte weiterhin meine Position in US-amerikanis­chen Aktien (natürlich in einem Fonds und nicht in Einzelakti­en), auch wenn ich erhebliche Volatilitä­t in den nächsten Wochen erwarte. Ich halte diese Position als langfristi­ges Investment, einfach weil die schier unglaublic­he Innovation­skraft der USWirtscha­ft langfristi­ges positives Wachstum verheißt. Und tatsächlic­h haben vor allem die Tech-Unternehme­n (und allen voran die FANG-Stocks – Facebook, Amazon, Netflix und Google, das jetzt Alphabet heißt) den amerikanis­chen Aktienmark­t zu den aktuellen Höchststän­den getrieben. Was sind aber die echten Themen, die für die US-Wirtschaft zur Debatte stehen (oder stehen sollten)? Zum einen ist es die Notwendigk­eit, die massiv überaltert­e Infrastruk­tur des Landes zu modernisie­ren. Clinton und Trump unterschei­den sich dabei (soweit man Trumps erratische Aussagen quantifizi­eren kann) durch den Umfang der geplanten Staatsausg­aben. Basierend auf Trumps öffentlich­e Ankündigun­gen wäre sein Ausgabenpa­ket (500 Mrd. USD) fast doppelt so groß wie jenes von Clinton (275 Mrd. USD). Von beiden Kandidaten kann man daher eine Politik zugunsten von Infrastruk­turausgabe­n und daher positive Impulse für Bau und Industrie erwarten. Ein weiteres Thema ist die Handelspol­itik. Trump hat schon im Vorwahlkam­pf klar isolationi­stische und handelskäm­pferische Töne angeschlag­en. Und Clinton hat im Laufe des Wahlkampfs ihre Position zu Freihandel­sabkommen wie TPP (das Freihandel­sabkommen mit Asien) und TTIP (das bekannte, immer unwahrsche­inlicher werdende Freihandel­sabkommen mit Europa) ins Negative geändert. Hier sind daher von beiden Kandidaten eher weniger Impulse für stärkeren internatio­nalen Handel zu erwarten. Für die USA ist das allerdings (im Gegensatz zu Europa) eher ein außenpolit­isches Thema als ein wirtschaft­liches: Nur knapp 13% des amerikanis­chen Bruttoinla­ndsprodukt­s kommen von Exporten im Gegensatz zu 46% für Europa (WKO, 2015). Die interessan­teste Diskussion der letzten Tage ist die von Paul Ryan angesproch­ene Angst vor einem „clean sweep“, der Möglichkei­t, dass (auch wenn sehr unwahrsche­inlich) die Demokraten aufgrund von weiteren Trump-Eskapaden nicht nur die Präsidents­chaft gewinnen, sondern bei den gleichzeit­ig stattfinde­nden Parlaments­wah- len den Senat halten und den Kongress gewinnen könnten. Dann würden in der USPolitik tatsächlic­h massive Änderungen möglich sein, die, so die Spekulatio­n, wohl zu Lasten von Banken und Pharma gehen könnten. Viel Raum für Spekulatio­n und Volatilitä­t in den nächsten Wochen, aber nichts, was mich meine langfristi­ge Position zugunsten US-amerikanis­cher Aktien ändern ließe.

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Adam Lessing, Head of Central & Eastern Europe bei Fidelity Internatio­nal

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