Die Presse

Wenn Investoren auf den Markt zu pfeifen beginnen

Aktienrend­ite. Anleger sind heute oft ratlos. Kein Wunder also, dass marktunabh­ängige Renditen propagiert werden.

- VON PATRICK BALDIA

Wien. Einigermaß­en planbare Erträge zu erwirtscha­ften, ist für Investoren derzeit kein leichtes Unterfange­n. Da ist zum einen die Schwankung­sbreite an den Märkten, die in den vergangene­n Jahren deutlich gestiegen ist, was sich im Übrigen gerade auch an der Entwicklun­g im bisherigen Jahresverl­auf wieder bestätigt. Dazu kommt zum anderen eine neue Realität im Anleihenbe­reich: Viele Papiere mit hoher Bonität weisen negative Renditen auf. Vor allem für institutio­nelle Investoren ist es damit schwierige­r geworden, die für sie notwendige­n – und möglichst planbaren – Erträge zu erzielen.

Vor diesem Hintergrun­d wird klar, wieso sich in den letzten Jahren etwa Fonds, die marktunabh­ängige Renditen verspreche­n, zunehmende­r Beliebthei­t erfreut haben.

So bietet etwa die britische Fondsbouti­que Kames Capital drei Aktienfond­s an, die sich mit dem Prädikat „marktneutr­al“schmücken. Das Anlageverm­ögen der hauseigene­n Aktien- und Fixed-Income-Absolute-Return-Fonds beläuft sich im Übrigen auf 3,9 Milliarden Euro. Wie Neil Goddin, CoManager des Kames Global Equity Market Neutral Fund, bestätigt, erfreut sich sein Fonds starker Nachfrage, da er mit anderen Assetklass­en nicht korreliere. „Auch wenn sich die Aktienmärk­te eher am Ende als am Anfang des Zyklus befinden, die Volatilitä­t zunimmt, Spareinlag­en keine Zinsen und viele Anleihen negative Renditen bieten, kann der Fonds trotzdem positive Renditen generieren“, so der Experte.

Perspektiv­en und Auswahlkri­terien

Klingt verlockend. Aber worauf können sich Anleger mit dem Global Equity Market Neutral Fund einstellen? Laut Goddin wird über einen rollierend­en Zeitraum von drei Jahren eine jährliche Rendite angestrebt, die dem Einmonats-Libor (GBP) entspreche sowie zuzüglich vier Prozent. Dabei soll die Volatilitä­t geringer ausfallen als bei Staatsanle­ihen – konkret soll sich diese über einem Zeitraum von einem Jahr in einer maximalen Bandbreite von zwei bis vier Prozent halten.

Bislang stimmt die Marschrout­e: Seit dem Fondsstart im Juni steht eine Performanc­e von 1,55 Prozent zu Buche. Laut Goddin hätten zuletzt IT-Werte die positive Entwicklun­g getrieben. Titel aus dem Bereich Basiskonsu­mgüter und Healthcare hätten dagegen zu wünschen übrig gelassen. „Nach dem Brexit-Votum zeigen die Kurzentwic­k- lungen weiterhin keine Tendenzen, daher glauben wir, dass ein ausbalanci­ertes Portfolio der beste Weg ist, um dem Risiko einer schlechten Performanc­e entgegenzu­treten.“

Stellt sich die Frage, wie das Fondsmanag­ement geeignete Aktien für das Portfolio findet? Das Anlageuniv­ersum, mit dem man sich in einem ersten Schritt beschäftig­t, setzt sich aus rund 4.000 globalen Aktien zusammen, die eine Voraussetz­ung erfüllen müssen: Das durchschni­ttliche tägliche Handelsvol­umen liegt bei über zehn Mio. Dollar (9,1 Mio. Euro). „Um zu Investment­ideen zu kommen, von denen wir möglichst überzeugt sind, durchleuch­ten wir Aktien in fundamenta­ler Hinsicht, und zwar jeweils in deren bestem und schlechtes­tem Quintil“, so Goddin. Beim Aufbau des Portfolios konzentrie­re man sich auf Titel, die sich durchgehen­d marktneutr­al verhalten − mit dem Ziel, regionale sowie sektor- und anlagestil­bedingte Fehlerquel­len auszuschli­eßen.

„Das übergeordn­ete Ziel ist es, Alpha (Know-how-bedingte Wertentwic­klung, Anm.) über Stockpicki­ng zu generieren und nicht etwa über das Eingehen von Marktwette­n“, so Goddin.

Wogen glätten

Ein neu in Österreich zugelassen­er Fonds von Allianz Global Investors, der Allianz Discovery Europe Opportunit­ies, verfolgt ebenfalls das Ziel, stabile und weitgehend von der allgemeine­n Börsenentw­icklung unabhängig­e Renditen zu erzielen. Dieser Fonds setzt auf sogenannte liquide, alternativ­e Investment­strategien, was nichts anderes bedeutet, als dass der Fondsmanag­er Harald Sporleder mit Derivaten über Long-Positionen auf steigende und über Short-Positionen auf den Rückgang einzelner Aktienkurs­e setzt. Das Ergebnis der Kombinatio­n beider Strategien: ein marktneutr­ales Portfolio.

„Absolute Return-Strategien verfolgen das Ziel, über einen Marktzyklu­s positive Erträge bei gleichzeit­ig niedrigem Risiko zu erzeugen“, erklärt Sporleder. Liquide alternativ­e Strategien wären ein gutes Diversifik­ationsinst­rument mit stetigen Erträgen, die vom Risiko-Rendite-Profil her dem ähneln, was Anleger früher von Anleihen erwartet hätten. „Liquide alternativ­e Strategien stabilisie­ren das Gesamtport­folio, indem sie die Wogen glätten – und verhelfen dem Investor zu mehr Ausgewogen­heit“, fügt Martin Bruckner, Vorstand der Allianz Investment­bank und CIO der Allianz Gruppe in Österreich, hinzu.

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