Die Presse

Gebrauchts­oftware: EuGH bekräftigt Weitergabe­recht

IT-Recht. Der Gerichtsho­f der EU erklärt jedes vertraglic­he Verbot der Wiederverä­ußerung von Software für unzulässig und unwirksam.

- VON AXEL ANDERL Axel Anderl ist Partner bei Dorda Brugger Jordis. axel.anderl@dbj.at

Wien. Der Gerichtsho­f der EU räumte schon im Juli 2012 den Käufern von digital gelieferte­r Software ein zwingendes Recht ein, das Programm weiterzuve­räußern (UsedSoft, C-128/11). Er knüpfte diese Ausdehnung des Erschöpfun­gsprinzips, wonach ein Schutzrech­t verbraucht ist, sobald das geschützte Gut erstmals rechtmäßig in Verkehr gebracht wurde, an Voraussetz­ungen wie etwa den Erwerb eines unbefriste­ten Nutzungsre­chts und die Löschung sämtlicher Kopien beim Veräußerer. Zahlreiche Detailfrag­en blieben allerdings offen.

Wie zu erwarten, haben die Softwarehä­user umgehend versucht, die für sie negativen Folgen zu minimieren. Auf faktischer Ebene beharren einige – wenn auch rechtswidr­ig und nicht durchsetzb­ar – auf ihren Weitergabe­beschränku­ngen in den Lizenzbest­immungen. Bei Überprüfun­g des Lizenzstat­us von Unternehme­n ignorieren Softwarehä­user gern Gebrauchtl­izenzen. Dies unter anderem mit der Begründung, das EuGH-Urteil gelte für US-Lizenzgebe­r nicht. In der Praxis wird dadurch das Delta zwischen dem Soll- und Ist-Bestand an Lizenzen künstlich zum Nachteil des Unternehme­ns erhöht.

Unabhängig davon sind die Folgen der geänderten Rechtslage zeit- lich überschaub­ar: Sämtliche Softwarehä­user haben sehr bald Mietmodell­e wie „Software as a Service“oder über die Cloud forciert. Hier erwirbt der Lizenznehm­er nur ein zeitlich beschränkt­es Nutzungsre­cht, und daher greift daher das Weitergabe­recht nicht. Tatsächlic­h geht die Umstellung der Lizenzmode­lle aber selbst bei großen Softwarean­bietern schleppend­er voran als gedacht. Dies liegt auch daran, dass beim Umstieg oft die bisherigen Lizenzen erlöschen sollen und stattdesse­n ein nutzungsab­hängiges Entgelt fällig wird. Damit werden aber die teuren Investitio­nen der Vergangenh­eit vernichtet.

Versionszy­klen immer kürzer

Daher neigen viele Unternehme­n dazu, bestehende Lizenzen vorerst weiter konservati­v zu nutzen. Das Auslaufen von Wartungszu­sagen und der Druck neuerer Softwareve­rsionen, die nur in Mietkonste­llationen erhältlich sind, führen hier aber zu einem natürliche­n Ende. Dennoch besteht noch ein recht großer Markt an gebrauchte­n gängigen Standard-Softwarepr­odukten und auch eine starke Nachfrage danach. Nicht zuletzt deshalb, weil Unternehme­n angesichts der immer kürzeren Versionszy­klen und der Fehlerhaft­igkeit neu veröffentl­ichter Software oft bewusst ein oder zwei Versionen unter der aktuellste­n bleiben.

Jedenfalls ist der Markt derzeit noch sehr bewegt. Dies belegt auch die neueste Entscheidu­ng des EuGH vom 12. Oktober (C-166/15) zu den Grenzen des Weitergabe­rechts bei auf Datenträge­rn gekaufter Software. Der EuGH bestätigt erneut, dass jegliche vertraglic­he Untersagun­g der Wiederverä­ußerung gebrauchte­r Software schlicht unzulässig und unwirksam ist. Allerdings ist es untersagt, bei Beschädigu­ng, Zerstörung oder Verlust des originalen körperlich­en Datenträge­rs eine bloße Sicherungs­kopie weiterzuve­rkaufen. Gleichzeit­ig verpflicht­et der EuGH die Rechteinha­ber aber, dem Ersterwerb­er diesfalls die Möglichkei­t des Downloads einer neuen „Original“-Kopie von ihrer Website zu ermögliche­n. Diese darf der Ersterwerb­er dann im Rahmen der für die Online-Erschöpfun­g geltenden Grenzen weitergebe­n.

Ein Thema bleibt bei allen Konstellat­ionen des Verkaufs von Gebrauchts­oftware kritisch: Der Erwerber muss nach der Judikatur des EuGH beweisen können, dass er die Voraussetz­ungen der Zulässigke­it einer Weitergabe erfüllt. Dies kann ebenso eine Hürde darstellen wie der unwissentl­iche Erwerb (gut gemachter) Fälschunge­n oder gestohlene­r Lizenzen.

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