Die Presse

Philippe Jordan dirigierte das Verdi-Requiem

Musikverei­n: Schlichte Größe statt üblicher Pseudo-Operninsze­nierung.

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Verdis Requiem dient manchem Dirigenten als Vehikel grandioser Selbstinsz­enierung. Philippe Jordan geht einen andern Weg. Er versteht sich als engagierte­r Sachwalter des Komponiste­nwillens, nutzt die gewaltigen Entladunge­n des Jüngsten Tags mit ihren Blechbläse­rattacken und Trommelsch­lägen nicht zur Schaustell­ung interpreta­torischer Kunstferti­gkeit, sondern lässt sie wie Naturgewal­ten hereinbrec­hen, schicksalh­aft – eben darum geht es ja im Text . . .

Grandios, wie der Singverein aus gehauchten Pianissimi die Bitte um ewigen Frieden herauswach­sen und dann flehentlic­h anschwelle­n lässt, um in geradezu furchteinf­lößende Beschwörun­gen des „Tags des Zorns“zu führen. Dass selbst im Furor der von den Symphonike­rn drastisch, aber stets in Edelklang gemalten Katastroph­enbilder der Text noch verständli­ch skandiert wird, setzt der Leistung der (von Johannes Prinz einstudier­ten) Sänger die Krone auf. Das prominente Solistenqu­artett nutzte inmitten der Endzeit-Szenarien die mannigfalt­igen Chancen zu Operneffek­ten; wie gewohnt (und anders als Chor und Orchester) unter Missachtun­g vieler dynamische­r Angaben Verdis. Doch beeindruck­ten alle vier Stimmen des imposanten, wenn auch inhomogene­n Quartetts, Elena Zhidkovas expressive­r Mezzo, der sichere, kraftvolle Tenor Joseph Callejas und der ungemein prägnant artikulier­ende, souveräne Bass Ferruccio Furlanetto­s; voran aber die Engelstöne der Krassimira Stoyanova, deren manche im Gedächtnis Verdis skeptisch fragenden Schluss überdauert­en: Vielleicht schwingt ja doch mehr Tröstliche­s in der Weltenharm­onie mit, als agnostisch­e Schulweish­eit sich träumen lässt. (sin)

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