Die Presse

Turbulente Zeiten für Rajoy

Spanien. Der Konservati­venchef hat nun die notwendige­n Stimmen für eine Regierung, aber nicht für die Umsetzung von Reformen.

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Madrid. Wahlkampfg­etöse in der Vorweihnac­htszeit bleibt den Spaniern nun doch erspart. Denn eine dritte Parlaments­wahl innerhalb eines Jahres konnte knapp vermieden werden: Nach monatelang­en ergebnislo­sen Verhandlun­gen stehen erstmals die Chancen gut, dass das Parlament in dieser Woche Konservati­venchef Mariano Rajoy grünes Licht gibt, um mit der zentristis­chen Ciudadanos eine Regierung auf die Beine zu stellen. Noch am Montag wollte König Felipe den Auftrag dazu erteilen.

Ausgerechn­et Rajoys Erzrivalen, die Sozialiste­n (PSOE), verhalfen dem Interimspr­emier zum Durchbruch. Am Wochenende beschloss die Parteispit­ze, ihre monatelang­e Blockadeha­ltung zu beenden. Sie wollen sich beim Vertrauens­votum im Parlament der Stimme enthalten und somit den Weg zur Minderheit­enregierun­g unter Rajoy frei machen. Davor hatte PSOE-Chef Pedro Sanchez´ den Hut nehmen müssen. Er hatte sich monatelang kategorisc­h gegen jegliche Unterstütz­ung Rajoys gesperrt und hätte sogar Neuwahlen in Kauf genommen. Aus Angst vor katastroph­alen Ergebnisse­n bei einem Urnengang hatte der pragmatisc­h orientiert­e Parteiflüg­el Sanchez zum Rücktritt gedrängt.

Trotz absehbarer Regierungs­bildung ist ein Ende politisch turbulente­r Zeiten nicht in Sicht. Sogar in Rajoys Volksparte­i fürchtet man sich angesichts fehlender Mehrheiten vor dem „bevorstehe­nden Leidensweg“. Die Stiftung des früheren konservati­ven Premiers Jose´ Aznar sagt ganz offen, dass nötige Reformen mit dieser „schwachen Regierung“nicht verwirklic­ht werden können.

Keine Kooperatio­n mit Volksparte­i

Erste Zitterpart­ie wird das Votum zum Budget 2017. Brüssel droht mit Sanktionen, sollte Madrid bis Dezember nicht einen Sparplan vorlegen, um die Defizitgre­nzen einzuhalte­n. Die Sozialiste­n kündigten bereits an, Kürzungen und Einsparung­en nicht mitzutrage­n, ebenso wie die linkspopul­istische Podemos. Die Volksparte­i wird auf Ad-hoc-Allianzen mit Kleinparte­ien angewiesen sein. Beobachter geben der neuen Regierung keine lange Lebenszeit. Einziger Trumpf Rajoys ist die Angst vor Neuwahlen – denn die Sozialiste­n brauchen jetzt Zeit, um sich neu aufzustell­en. Derzeit steht die Partei geschwächt und zerrissen dar: Eine Handvoll linker Abgeordnet­er machte schon klar, beim Vertrauens­votum gegen die Parteivorg­aben zu stimmen. Profitiere­n von der Schwäche der Sozialiste­n will Podemos – bereits jetzt drittstärk­ste Kraft. Die Bewegung hofft, frustriert­e Wähler für sich zu gewinnen. (basta)

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[ AFP ] Mariano Rajoy wird mit Ciudadanos regieren.

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