Die Presse

Gabriel bringt Merkel unter Zugzwang

Die SPD schlägt Frank-Walter Steinmeier als nächsten Bundespräs­identen vor.

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Berlin. Schön langsam drängt die Zeit. Am 12. Februar soll die Bundesvers­ammlung ein neues Staatsober­haupt wählen, einen Nachfolger für den 76-jährigen Joachim Gauck, der aus Altersgrün­den keine zweite Periode anhängen möchte. Die Frage ist nur: wen? Ende Oktober wollten Union und SPD eigentlich einen gemeinsame­n Kandidaten präsentier­en. Bis jetzt hat man sich aber nur Absagen geholt, etwa vom Präsidente­n des Verfassung­sgerichts, Andreas Voßkuhle, und von der evangelisc­hen Theologin Margot Käßmann.

SPD-Chef Sigmar Gabriel dürfte nun die Geduld verloren haben. Jedenfalls hat er am Wochenende Außenminis­ter FrankWalte­r Steinmeier zur Benchmark für die Gauck-Nachfolge erklärt. Man bleibe aber weiterhin „offen und kompromiss­bereit“, falls sich ein „mindestens gleich guter“Bewerber finde, so Gabriel in der „Bild“-Zeitung.

Kanzlerin Angela Merkel muss nun Farbe bekennen, also entweder einen neuen Namen nennen oder Steinmeier unterstütz­en. Wenngleich ihre Partei wohl nicht verstehen würde, warum sie einen Sozialdemo­kraten wählen soll, wo die Union doch 43 Prozent der Mitglieder in der Bundesvers­ammlung stellt, die SPD aber nur 31 Prozent. Norbert Lammert, der über die CDU-Grenzen hinaus hohes Ansehen genießt, wäre eine Option für Merkel gewesen, doch der Bundestags­präsident will sich nach der Wahl im Herbst 2017 aus der Politik zurückzieh­en.

Linke gegen Steinmeier

Allerdings dürfte auch Gabriels Rechnung – eine rot-rot-grüne Mehrheit für Steinmeier spätestens im dritten Wahldurchg­ang – nicht aufgehen. Denn die Linksparte­i hält den Außenminis­ter für „unwählbar“, wie Parteichef Bernd Riexinger den „Dortmunder Ruhr Nachrichte­n“erklärte. Steinmeier sei einer der Architekte­n der Agenda 2010 gewesen und habe so die Kluft zwischen Arm und Reich vertieft.

Ohne Merkel kann Steinmeier also nicht Bundespräs­ident werden. Für Gabriel gab es am Montag eine Rüge von der stellvertr­etenden CDU-Chefin Julia Klöckner: Der Vizekanzle­r zettle genau jenes „parteipoli­tische Geschacher­e“an, vor dem er immer gewarnt habe. (pri)

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