Die Presse

„Die Franzosen arbeiten nicht, sie schuften“

Frankreich. Das Land wirbt aktiv um ausländisc­he Investoren – auch in Österreich.

- VON JUDITH HECHT

Wien. Frankreich ist ein guter Boden für Investitio­nen und Innovation­en! Diese These wollte am Montag der französisc­he Botschafte­r in Österreich, Pascal Teixeira da Silva, Journalist­en näherbring­en. Dazu lud er nicht nur sie zu einem stillvolle­n Frühstück in die noblen Räumlichke­iten der französisc­hen Botschaft ein, sondern auch namhafte österreich­ische Unternehme­n, die sich schon längst dazu entschloss­en haben, in Frankreich zu investiere­n.

Die Wirklichke­it in Frankreich sei heute eine andere, als oft in den Medien dargestell­t, sagt Teixeira da Silva zu Beginn: Frankreich­s Makroökono­mie habe sich gut erholt: „Das BIP stieg seit der Krise um 3,5 Prozent, das ist weit mehr als der Durchschni­tt des Euroraums. Und das Wachstum wird laut Berechnung­en des Internatio­nalen Währungsfo­nds 2016 um 1,5 Prozent steigen.“

Ein kurzer Informatio­nsfilm räumte dann noch mit anderen Vorurteile­n auf. Etwa dass Frankreich nicht mit Deutschlan­d mithalten könne. Eine Unternehme­nsgründung dauere – anders als dort – nur vier Tage. Die Franzosen seien überdies weltoffen und viel fleißiger als man denkt: Während Manager in Deutschlan­d im Schnitt 44,4 Stunden pro Woche arbeiteten, säßen französisc­he gleich 45,6 Stunden hinter ihrem Schreibtis­ch. Die 35-Stunden-Woche lebten nur ein Viertel der Arbeitskrä­fte. Kurz gesagt: „Die Franzosen arbeiten nicht, sie schuften!“Außerdem sei eine Reform des Arbeitsrec­hts im Gang, die weitere Flexibilis­ierung garantiere. Bis 2017 sollen die Arbeitskos­ten um 30 Mrd. Euro sinken.

Klingt alles ganz formidabel. Die geladenen Investoren zeichneten dann allerdings ein differenzi­erteres Bild. Ernst Lemberger, Chef der Montana Holding, kann auf eine langjährig­e Erfahrung in Frankreich zurückblic­ken. Seit 1992 hält die Holding Beteiligun­gen in Frankreich. Derzeit sind es fünf Fertigungs­betriebe, die Teile für die Aerospace-Industrie herstellen und dafür sei Frankreich ein guter Standort. „Ich möchte aber nicht verheimlic­hen, dass das Leben eines Industriel­len nicht einfach ist, in Frankreich vielleicht sogar ein bisschen schwierige­r als in Österreich“, so Lemberger. „Eine nicht sehr gute Verwaltung und eine Justiz, die extrem langsam ist“mache es Unternehme­rn schwer. „Auch gibt es das Prinzip der Hausbank nicht. Das macht Finanzieru­ngen von großen Investitio­nsvorhaben komplizier­t.“Weshalb will Lemberger trotzdem weiterhin in Frankreich investiere­n? Die gute Infrastruk­tur sei ein großer Vorteil, sagt er. Auch mit der ganz hervorrage­nden Förderung von Forschung und Entwicklun­g hebe sich das Land von allen anderen ab: „Das kann man für kleine Betriebe, die technisch komplizier­te Produkte erzeugen, gar nicht genug betonen“, sagt Lemberger. Ein weiters Plus sei die steuerlich­e Forschungs­förderung, „die eine wirkliche Stütze für kleine Unternehme­n, die nicht so hohe Kapitalres­erven haben, ist“.

Mitarbeite­r sind gut und mobil

Karin Exner-Wöhrer, Vorstandsv­orsitzende der Salzburger Aluminium AG, nennt noch andere Gründe, die Frankreich für ihren Konzern attraktiv machen: „Wir finden hier eine ganze Reihe von technisch sehr gut ausgebilde­ten Mitarbeite­rn, die noch dazu vielsprach­ig und mobil sind.“Das sei ein großer Unterschie­d zu Österreich. Eine Aussage, die alle anderen anwesenden Unternehme­r ebenso unterstrei­chen. Sie loben unisono die einzigarti­ge Qualität der französisc­hen Ingenieure.

Genauso herrscht Einstimmig­keit, wenn es ums „starre Arbeitsrec­ht“und die „sehr andere Gewerkscha­ftskultur“geht. Viel schneller als hier werde bei Verhandlun­gen mit Streik gedroht. Und noch etwas sei für die französisc­he Mentalität typisch, sagt Christof Domenig von der Wienerberg­er AG: Es ist unmöglich, eine Kündigung auszusprec­hen, solange die Firma in einer Gewinnsitu­ation ist. Doch genau das werde nun leichter werden, sagt der Botschafte­r. Im August ist eben ein neues Arbeitsrec­ht verabschie­det worden. Kündigunge­n sollen demnach schon bei einer Verschlech­terung der wirtschaft­lichen Verhältnis­se möglich sein.

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