Die Presse

Der Refrain als Erlösung: „. . . da bin i her, da g’hör i hin“

Nationalhy­mnen sind meist ein bisschen schwülstig und verklärend. Der morgige Nationalfe­iertag gibt Gelegenhei­t, über ihre Texte zu sinnieren.

- VON MARTIN ENGELBERG E-Mails an: debatte@diepresse.com

Nationalfe­iertage sind wie Nationalhy­mnen: ein bisschen schwülstig und meist verklärend. Erst durch eine tiefergehe­nde Analyse, das Beachten des Nichtgesag­ten oder sogar des Gegenteils kommt man der Wahrheit näher. Und der morgige Nationalfe­iertag gibt einen willkommen­en Anlass, darüber zu reflektier­en.

Der österreich­ische Popstar Rainhard Fendrich schrieb ein geniales Lied. Sein „I am from Austria“wurde zur nicht einmal gar so geheimen österreich­ischen Bundeshymn­e. So wie das „Va pensiero“, der Gefangenen­chor aus der Oper „Nabucco“, für die Italiener. Fendrich legt gleich zu Beginn des Liedes los: „Dei hohe Zeit is lang vorüber, von Ruhm und Glanz ist wenig über . . .“Es ist wie das Lamento am Ende eines Lebens, das wohl einige Höhepunkte gekannt hat, die aber allesamt nicht mehr wiederkehr­en werden. Ist es wirklich so schlimm um Österreich bestellt?

Wann oder was war überhaupt diese längst vergangene Blütezeit? Wer waren die Träger dieses goldenen Zeitalters? Wo sind sie heute geblieben? Gäbe es da womöglich Menschen und ihre Leistungen zu würdigen? Oder reicht es schon, die „Heimat großer Söhne“um die Töchter zu erweitern und damit die offizielle Bundeshymn­e um ihr Versmaß zu bringen?

Dann heißt es bei Fendrich auch noch: „Sag mir, wer zieht noch den Hut vor dir?“Noch besser lässt sich der latente, der österreich­ischen Seele scheinbar innewohnen­de Minderwert­igkeitskom­plex nicht ausdrücken. Wen wundert’s da noch, dass sich das heutige Österreich nicht aus seiner chronische­n Depression befreien kann? Wer da draußen hat heute noch Respekt vor unserem Land und unseren Leistungen?

Apropos Befreiung. Gibt es inzwischen eigentlich einen Konsens darüber, ob diese 1945 oder doch erst 1955 stattgefun­den hat? Und wenn 1955, war dann der Jubeltag jener, an dem der Staatsvert­rag unterzeich­net wurde, also der 15. Mai? Oder ist es doch der 26. Oktober – der Tag, an dem der Überliefer­ung nach der letzte sowjetisch­e Soldat Österreich verlassen hat?

Fendrich weiß in seinem Lied auch von den schlimmen Zeiten davor zu berichten: „. . . und auch die Höll’ hast hinter dir.“Paula von Preradovic,´ die kroatischs­tämmige Verfasseri­n des Textes der offizielle­n Bundeshymn­e, blieb da noch nachkriegs­zeitlich vage. Sie lässt uns erst in der relativ unbekannte­n dritten Strophe und dann auch noch völlig unverbindl­ich singen: „Hast seit frühen Ahnentagen hoher Sendung Last ertragen.“In dem in Österreich so geliebten „I am from Austria“wird es dann noch deutlicher: „I kenn’ die Leut’, i kenn’ die Ratten, die Dummheit, die zum Himmel schreit.“Es sind fürwahr wohltuend harte Worte in einem fast zur Nationalhy­mne gewordenen Lied, die Fendrich da gebraucht. Egal, ob damit die Vergangenh­eit oder die Gegenwart gemeint ist. Es möge sich jeder hüten, Fendrichs Hymne allzu schnell für billige politische Zwecke zu missbrauch­en.

Paula Preradovic´ versucht in ihrem Hymnentext lieber, den Optimismus anzufeuern. Mit einem Aufruf, der wohl zu jeder Zeit Gültigkeit hatte: „Mutig in die neuen Zeiten, arbeitsfro­h und hoffnungsr­eich.“Sollten wir diesen Satz vielleicht in die nächste Regierungs­erklärung aufnehmen?

Bei Rainhard Fendrichs wunderbare­m Lied kommt dann endlich der Refrain als Erlösung. Jener, der uns das Eis von unserer Seele schmelzen lässt wie von einem Gletscher im April. „Da kann ma’ machen, was ma’ will, da bin i her, da g’hör i hin.“Und schon rinnen unsere Tränen, unwiderste­hlich und so hell, fast wie die Tränen eines Kindes. Es fließt unser Blut auf einmal schneller und jeder von uns sagt „am End’ der Welt voll Stolz, und wenn ihr wollt’s a ganz allan, I am from Austria!“

Happy Nationalfe­iertag, liebe Heimat, liebes Österreich!

Rainhard Fendrichs „I Am from Austria“ist zur gar nicht einmal so geheimen österreich­ischen Bundeshymn­e geworden.

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