Der Refrain als Erlösung: „. . . da bin i her, da g’hör i hin“
Nationalhymnen sind meist ein bisschen schwülstig und verklärend. Der morgige Nationalfeiertag gibt Gelegenheit, über ihre Texte zu sinnieren.
Nationalfeiertage sind wie Nationalhymnen: ein bisschen schwülstig und meist verklärend. Erst durch eine tiefergehende Analyse, das Beachten des Nichtgesagten oder sogar des Gegenteils kommt man der Wahrheit näher. Und der morgige Nationalfeiertag gibt einen willkommenen Anlass, darüber zu reflektieren.
Der österreichische Popstar Rainhard Fendrich schrieb ein geniales Lied. Sein „I am from Austria“wurde zur nicht einmal gar so geheimen österreichischen Bundeshymne. So wie das „Va pensiero“, der Gefangenenchor aus der Oper „Nabucco“, für die Italiener. Fendrich legt gleich zu Beginn des Liedes los: „Dei hohe Zeit is lang vorüber, von Ruhm und Glanz ist wenig über . . .“Es ist wie das Lamento am Ende eines Lebens, das wohl einige Höhepunkte gekannt hat, die aber allesamt nicht mehr wiederkehren werden. Ist es wirklich so schlimm um Österreich bestellt?
Wann oder was war überhaupt diese längst vergangene Blütezeit? Wer waren die Träger dieses goldenen Zeitalters? Wo sind sie heute geblieben? Gäbe es da womöglich Menschen und ihre Leistungen zu würdigen? Oder reicht es schon, die „Heimat großer Söhne“um die Töchter zu erweitern und damit die offizielle Bundeshymne um ihr Versmaß zu bringen?
Dann heißt es bei Fendrich auch noch: „Sag mir, wer zieht noch den Hut vor dir?“Noch besser lässt sich der latente, der österreichischen Seele scheinbar innewohnende Minderwertigkeitskomplex nicht ausdrücken. Wen wundert’s da noch, dass sich das heutige Österreich nicht aus seiner chronischen Depression befreien kann? Wer da draußen hat heute noch Respekt vor unserem Land und unseren Leistungen?
Apropos Befreiung. Gibt es inzwischen eigentlich einen Konsens darüber, ob diese 1945 oder doch erst 1955 stattgefunden hat? Und wenn 1955, war dann der Jubeltag jener, an dem der Staatsvertrag unterzeichnet wurde, also der 15. Mai? Oder ist es doch der 26. Oktober – der Tag, an dem der Überlieferung nach der letzte sowjetische Soldat Österreich verlassen hat?
Fendrich weiß in seinem Lied auch von den schlimmen Zeiten davor zu berichten: „. . . und auch die Höll’ hast hinter dir.“Paula von Preradovic,´ die kroatischstämmige Verfasserin des Textes der offiziellen Bundeshymne, blieb da noch nachkriegszeitlich vage. Sie lässt uns erst in der relativ unbekannten dritten Strophe und dann auch noch völlig unverbindlich singen: „Hast seit frühen Ahnentagen hoher Sendung Last ertragen.“In dem in Österreich so geliebten „I am from Austria“wird es dann noch deutlicher: „I kenn’ die Leut’, i kenn’ die Ratten, die Dummheit, die zum Himmel schreit.“Es sind fürwahr wohltuend harte Worte in einem fast zur Nationalhymne gewordenen Lied, die Fendrich da gebraucht. Egal, ob damit die Vergangenheit oder die Gegenwart gemeint ist. Es möge sich jeder hüten, Fendrichs Hymne allzu schnell für billige politische Zwecke zu missbrauchen.
Paula Preradovic´ versucht in ihrem Hymnentext lieber, den Optimismus anzufeuern. Mit einem Aufruf, der wohl zu jeder Zeit Gültigkeit hatte: „Mutig in die neuen Zeiten, arbeitsfroh und hoffnungsreich.“Sollten wir diesen Satz vielleicht in die nächste Regierungserklärung aufnehmen?
Bei Rainhard Fendrichs wunderbarem Lied kommt dann endlich der Refrain als Erlösung. Jener, der uns das Eis von unserer Seele schmelzen lässt wie von einem Gletscher im April. „Da kann ma’ machen, was ma’ will, da bin i her, da g’hör i hin.“Und schon rinnen unsere Tränen, unwiderstehlich und so hell, fast wie die Tränen eines Kindes. Es fließt unser Blut auf einmal schneller und jeder von uns sagt „am End’ der Welt voll Stolz, und wenn ihr wollt’s a ganz allan, I am from Austria!“
Happy Nationalfeiertag, liebe Heimat, liebes Österreich!
Rainhard Fendrichs „I Am from Austria“ist zur gar nicht einmal so geheimen österreichischen Bundeshymne geworden.