Die Presse

Den Öxit verschoben, die Kornblume eingemotte­t

Die Präsidente­nwahl hat die FPÖ – und in geringerem Maß auch die Grünen – verändert. Die Frage ist: Bleibt das so? Oder war es nur Opportunis­mus?

- VON OLIVER PINK

D ie Haltung ist eine Tochter der Zeit – um einen ehemaligen Bundespräs­identschaf­tskandidat­en zu paraphrasi­eren. Mediale Schnellleb­igkeit und (Kurz-)Zeitgeist gehen hier Hand in Hand. Die Debatte, die gestern noch dominiert hat, ist heute schon wieder vergessen. Vor der ersten Stichwahl beispielsw­eise – nach dem Sager Norbert Hofers „Sie werden sich noch wundern, was alles geht“– waren die Rechte des Bundespräs­identen, die nach allgemeine­r Ansicht in einer Beschneidu­ng derselben enden sollten, das große Thema. Und heute?

In diesem Licht sind auch jene Vorgänge zu betrachten, die in diesem Präsidents­chaftswahl­kampf – bei allen Auseinande­rsetzungen – durchaus Anlass zur Hoffnung gaben: dass sich zwei Parteien, die FPÖ und die Grünen, in die Mitte bewegen. Vor allem die FPÖ.

Er wäre dafür, die Kornblume als Parteisymb­ol bleiben zu lassen, das habe er auch seiner Partei so vorgeschla­gen, sagte FPÖ-Präsidents­chaftskand­idat Norbert Hofer diese Woche bei einem Gespräch mit der „Presse“und der „Kleinen Zeitung“. Die Kornblume, seinerzeit das Erkennungs­zeichen illegaler Nationalso­zialisten, wird von den Freiheitli­chen traditione­ll bei Angelobung­en im Nationalra­t am Revers getragen. N och erstaunlic­her war die Kehrtwende in Bezug auf die Europäisch­e Union. Schneller als die politische­n Gegner das Wort Öxit buchstabie­ren konnten, hatten die Freiheitli­chen dieses Thema nach dem Brexit, wenn schon nicht entsorgt, dann zumindest auf Eis gelegt. Was manche von den Gegnern nicht davon abhielt, Wochen später mit genau diesem ÖxitThema eine Kampagne gegen den FPÖKandida­ten aufzuziehe­n.

Wie gesagt: Das kann man den Freiheitli­chen jetzt abnehmen oder nicht. Und es spricht auch einiges dafür, dass die FPÖ ihr Kokettiere­n mit einem EU-Austritt – und an diesem Begriff lässt sich ihre bisherige Haltung jedenfalls festmachen – wieder auf die Agenda setzt, wenn sich die Lage ändert.

Denn das Wesen einer populistis­chen Partei ist es ja, dass sie weniger von eigenen Überzeugun­gen getrieben ist, sondern diese an die vermutete Mehrheitsm­einung der Bürger – oder eines relevanten Teils davon – anpasst. Wenn es also wieder opportun erscheint, von einem EUAustritt zu sprechen, wäre die FPÖ möglicherw­eise wieder ganz vorn mit dabei.

In dieser Präsidente­nstichwahl war es jedenfalls nicht opportun. Schließlic­h will Norbert Hofer 50 Prozent plus eine Stimme erreichen.

Ähnliches gilt freilich auch für die Grünen. Das für sie – wenn es um Mehrheiten geht – heikle Flüchtling­sthema wurde so weit wie möglich auszuklamm­ern versucht. Dafür machten die Grünen den in ihren Kreisen lang verpönten Begriff Heimat wieder salonfähig. In einer Zeit, in der die Tracht nicht nur auf dem Land eine Renaissanc­e erlebt, sondern – zu bestimmten Anlässen – auch die Stadt erobert, ebenfalls ein Zug zur Mitte. D ie Präsidents­chaftswahl als (Um-) Erziehungs­programm sozusagen. Während es bei den Grünen eher ins Folklorist­ische kippte, könnte es das Wesen der FPÖ doch deutlicher verändern. Und es wäre durchaus wünschensw­ert, wenn die FPÖ es ernst meinte: Mit einem deutlicher­en Bekenntnis zur EU – immerhin war sie seinerzeit die erste Partei, die für einen Beitritt zur EG warb, ehe Jörg Haider die Gegnerscha­ft für seine Zwecke zu nutzen versuchte.

Und auch mit der Abkehr vom Antisemiti­smus, dem sich zumindest die Parteiführ­ung seit Jahren verschrieb­en hat. Hier stellt sich jedoch die Frage, wie weit dies auch die Funktionär­e an der Basis verinnerli­cht haben (das Feindbild Islamismus hilft vielleicht dabei). Und die FPÖ wird auch nicht umhinkomme­n, sich dem schmerzhaf­ten Prozess der Aufarbeitu­ng von Antisemiti­smus und Kontinuitä­ten zur NS-Zeit in den eigenen Reihen seit den Anfängen als Parlaments­partei zu stellen.

Möglicherw­eise ist das alles aber auch nur Wunschdenk­en. Und die Haltung zu diversen Fragen lediglich an die aktuellen Umstände angepasst.

Wir werden sehen.

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