Den Öxit verschoben, die Kornblume eingemottet
Die Präsidentenwahl hat die FPÖ – und in geringerem Maß auch die Grünen – verändert. Die Frage ist: Bleibt das so? Oder war es nur Opportunismus?
D ie Haltung ist eine Tochter der Zeit – um einen ehemaligen Bundespräsidentschaftskandidaten zu paraphrasieren. Mediale Schnelllebigkeit und (Kurz-)Zeitgeist gehen hier Hand in Hand. Die Debatte, die gestern noch dominiert hat, ist heute schon wieder vergessen. Vor der ersten Stichwahl beispielsweise – nach dem Sager Norbert Hofers „Sie werden sich noch wundern, was alles geht“– waren die Rechte des Bundespräsidenten, die nach allgemeiner Ansicht in einer Beschneidung derselben enden sollten, das große Thema. Und heute?
In diesem Licht sind auch jene Vorgänge zu betrachten, die in diesem Präsidentschaftswahlkampf – bei allen Auseinandersetzungen – durchaus Anlass zur Hoffnung gaben: dass sich zwei Parteien, die FPÖ und die Grünen, in die Mitte bewegen. Vor allem die FPÖ.
Er wäre dafür, die Kornblume als Parteisymbol bleiben zu lassen, das habe er auch seiner Partei so vorgeschlagen, sagte FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer diese Woche bei einem Gespräch mit der „Presse“und der „Kleinen Zeitung“. Die Kornblume, seinerzeit das Erkennungszeichen illegaler Nationalsozialisten, wird von den Freiheitlichen traditionell bei Angelobungen im Nationalrat am Revers getragen. N och erstaunlicher war die Kehrtwende in Bezug auf die Europäische Union. Schneller als die politischen Gegner das Wort Öxit buchstabieren konnten, hatten die Freiheitlichen dieses Thema nach dem Brexit, wenn schon nicht entsorgt, dann zumindest auf Eis gelegt. Was manche von den Gegnern nicht davon abhielt, Wochen später mit genau diesem ÖxitThema eine Kampagne gegen den FPÖKandidaten aufzuziehen.
Wie gesagt: Das kann man den Freiheitlichen jetzt abnehmen oder nicht. Und es spricht auch einiges dafür, dass die FPÖ ihr Kokettieren mit einem EU-Austritt – und an diesem Begriff lässt sich ihre bisherige Haltung jedenfalls festmachen – wieder auf die Agenda setzt, wenn sich die Lage ändert.
Denn das Wesen einer populistischen Partei ist es ja, dass sie weniger von eigenen Überzeugungen getrieben ist, sondern diese an die vermutete Mehrheitsmeinung der Bürger – oder eines relevanten Teils davon – anpasst. Wenn es also wieder opportun erscheint, von einem EUAustritt zu sprechen, wäre die FPÖ möglicherweise wieder ganz vorn mit dabei.
In dieser Präsidentenstichwahl war es jedenfalls nicht opportun. Schließlich will Norbert Hofer 50 Prozent plus eine Stimme erreichen.
Ähnliches gilt freilich auch für die Grünen. Das für sie – wenn es um Mehrheiten geht – heikle Flüchtlingsthema wurde so weit wie möglich auszuklammern versucht. Dafür machten die Grünen den in ihren Kreisen lang verpönten Begriff Heimat wieder salonfähig. In einer Zeit, in der die Tracht nicht nur auf dem Land eine Renaissance erlebt, sondern – zu bestimmten Anlässen – auch die Stadt erobert, ebenfalls ein Zug zur Mitte. D ie Präsidentschaftswahl als (Um-) Erziehungsprogramm sozusagen. Während es bei den Grünen eher ins Folkloristische kippte, könnte es das Wesen der FPÖ doch deutlicher verändern. Und es wäre durchaus wünschenswert, wenn die FPÖ es ernst meinte: Mit einem deutlicheren Bekenntnis zur EU – immerhin war sie seinerzeit die erste Partei, die für einen Beitritt zur EG warb, ehe Jörg Haider die Gegnerschaft für seine Zwecke zu nutzen versuchte.
Und auch mit der Abkehr vom Antisemitismus, dem sich zumindest die Parteiführung seit Jahren verschrieben hat. Hier stellt sich jedoch die Frage, wie weit dies auch die Funktionäre an der Basis verinnerlicht haben (das Feindbild Islamismus hilft vielleicht dabei). Und die FPÖ wird auch nicht umhinkommen, sich dem schmerzhaften Prozess der Aufarbeitung von Antisemitismus und Kontinuitäten zur NS-Zeit in den eigenen Reihen seit den Anfängen als Parlamentspartei zu stellen.
Möglicherweise ist das alles aber auch nur Wunschdenken. Und die Haltung zu diversen Fragen lediglich an die aktuellen Umstände angepasst.
Wir werden sehen.