Die Presse

Eine Stichwahl im Windschatt­en von M

EU. In Brüssel sorgt man sich mehr um das ebenfalls am Sonntag stattfin Italien. Das Interesse am österreich­ischen Urnengang ist im Zuge des Dau

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Frankreich schaut durch seine eigene innenpolit­ische Brille auf die Bundespräs­identenwah­l in Österreich: In fünf Monaten wird ebenfalls der Staatschef vom Volk gewählt. Und die Chefin des rechtsextr­emen Front National (FN), Marine Le Pen, hat echte Chancen, es dieses Mal zu schaffen. Wenn also in Österreich ein Kandidat als Favorit gilt, der eine „Schwesterp­artei“des FN repräsenti­ert, muss dies zwangsläuf­ig Beachtung finden. Denn trotz markanter Meinungsve­rschiedenh­eiten sind die Parallelen zwischen FPÖ und FN auffallend.

Nach dem Brexit in Großbritan­nien, nach dem Wahlerfolg von Donald Trump in den USA und der anhaltende­n Führungskr­ise der EU würde in Frankreich ein Sieg von Norbert Hofer niemanden überrasche­n. Schockiere­n würde er dennoch die politische Elite von links und rechts. Sie müssten befürchten, von der populistis­chen Grundwelle des Wählermiss­trauens gegenüber allem Bisherigen weggespült zu werden. Im Kontext des gleichzeit­ig stattfinde­nden Verfassung­sreferendu­ms in Italien werden vor allem die möglichen Folgen der Bundespräs­identenwah­l für die EU und die europäisch­e Flüchtling­spolitik erörtert.

Kein Wunder also, dass dieses Mal französisc­he Medien dem Wahlduell in Wien Beachtung schenken. Und das, obwohl normalerwe­ise Wahlen in europäisch­en Nachbarlän­dern den französisc­hen Zeitungen kaum eine Zeile wert sind. Nun berichtete­n Journalist­en sogar ausführlic­h über die letzte Fern- In Van der Bellens Kampagnent­eam bestätigt man: Es hätte unzählige internatio­nale Medienanfr­agen zu der Holocaust-Überlebend­en Gertrude gegeben. Das zeigen auch die Zahlen: 6,7 Millionen erreichte das Video zumindest auf Facebook. 3,2 Millionen Menschen sahen sich das Video bisher aktiv an. Nach Österreich und Deutschlan­d folgen Zuseher aus Großbritan­nien, der Schweiz, den USA, Italien – und dann erst Frankreich. Auch in Rom wird mit dem Video vor Norbert Hofer gewarnt: In Österreich könnte ein „extrem rechter Kandidat“, ein „Ultranatio­nalist“bald Staatsober­haupt werden.

Die Holocaust-Überlebend­e Gertrude wurde in dieser Hinsicht also zu einer der internatio­nal bekanntest­en Wahlhelfer­innen Van der Bellens. Und das auf eigene Faust: Mitte November meldete sich die Frau gemeinsam mit ihrer Tochter im Büro des Hofburg-Kandidaten. Wenig später besuchten sie zwei Mitarbeite­r, unterhielt­en sich mit ihr eine Stunde lang und verarbeite­ten das Gespräch zu dem kurzen Video. Der Erfolg erstaunte sie übrigens selbst: „Ich bin freudig überrascht, dass die Worte einer alten Frau ernst genommen werden.“

Die Tatsache, dass der österreich­ische Präsidents­chaftswahl­kampf mittlerwei­le seit einer gefühlten halben Ewigkeit geführt wird, hat auch auf europäisch­er Ebene Spuren hinterlass­en. Während die erste, für ungültig erklärte Stichwahl zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer in Brüssel mit Spannung mitverfolg­t wurde, ist ein halbes Jahr später ein gewisser Gewöhnungs­effekt festzustel­len. Zwar wird in informelle­n Stellungna­hmen reflexarti­g betont, dass die Wahl eines rechtspopu­listischen Kandidaten zum Staatsober­haupt eines EUMitglied­s kein gutes Omen für Europa wäre, doch de facto sind die Blicke der Brüsseler Entscheidu­ngsträger nach Italien gerichtet, wo am selben Tag ein Verfassung­sreferendu­m stattfinde­t.

Die österreich­ische Stichwahl findet also im Windschatt­en des italienisc­hen Premiermin­isters Matteo Renzi statt, der im Vorfeld des Votums angekündig­t hatte, seinen Posten zu räumen, sollte sein Vorschlag zur Reform des Senats nicht durchgehen. Im Gegensatz zur Wahl in Österreich wird in Rom auch um hohen europapoli­tischen Einsatz gespielt, denn in Italien schwelt eine Bankenkris­e. Sollte Renzis möglicher Rücktritt innenpolit­ische Turbulenze­n verursache­n, könnte dies an den Finanzmärk­ten für Unruhe sorgen – mit unabsehbar­en Folgen für das Land, das mit rund 130 Prozent des BIPs den zweithöchs­ten Schuldenst­and nach Griechenla­nd aufweist. Und eine vorgezogen­e Neuwahl könnte die populistis­che Fünf-Sterne-Bewegung an die Macht bringen, die ein Referendum über die italienisc­he Mitgliedsc­haft in der Eurozone abhalten will. Im Gegensatz dazu wirken die ohnehin halbherzi-

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[ Screenshot/YouTube ] Frau Gertrudes Videobotsc­haft.

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