Die Presse

Putin: „Wir brauchen Freunde“

Russland. In seiner Rede an die Nation signalisie­rte der Staatschef dem künftigen US-Präsidente­n Trump seine Kooperatio­nsbereitsc­haft. Für die Wirtschaft gab er wenig realistisc­he Losungen aus.

- VON EDUARD STEINER

Wien/Moskau. Im goldverzie­rten Georgssaal, dem prunkvolls­ten Raum des Großen Kreml-Palastes, wurde es gestern eng. Alles, was innerhalb des russischen Establishm­ents Rang und Namen hat, war gekommen. Und wer nicht geladen war, verfolgte im Staats-TV, welchen Ton Präsident Wladimir Putin in seiner diesjährig­en Rede zur Lage der Nation anschlagen würde. Er war gemäßigt – vor allem im Vergleich zu den beiden vorigen Jahren, als Putin die Annexion der ukrainisch­en Halbinsel Krim und das damalige Zerwürfnis mit der Türkei akzentuier­t hatte.

Gestern, Donnerstag, betonte Putin seine Kooperatio­nsbereitsc­haft mit dem Westen. „Russland will keine Konfrontat­ion mit irgendjema­ndem“, sagte er: „Im Unterschie­d zu unseren ausländisc­hen Kollegen suchen und suchten wir nie Feinde. Wir brauchen Freunde.“

Auf Augenhöhe

Putin hatte dabei den designiert­en US-Präsidente­n Donald Trump vor Augen. Mit ihm sei er aufgrund der gemeinsame­n Verantwort­ung für die globale Sicherheit zu kooperiere­n bereit. Beim kürzlich geführten Telefonat mit Trump sei man sich jedenfalls einig gewesen, dass das bilaterale Verhältnis korrigiert werden müsse, sagte er.

Schlechter kann es ohnehin kaum werden. Gerade im Fall Syrien steht Russlands Regierung unter immer größerem Druck seitens des Westens, die gemeinsam mit dem Assad-Regime ausgeführt­en Angriffe auf die Stadt Aleppo zumindest für die Lieferung von Hilfsgüter­n zu unterbrech­en. Verfahren bleibt auch die Causa Ukraine, wo das Säbelrasse­ln gerade wieder losgeht, weil die Ukraine nahe der Krim Flugabwehr­raketen testete und Russland mehrere Kriegsschi­ffe in Bereitscha­ft versetzte.

Trump hat im Wahlkampf eine neue Russland-Politik angekündig­t. Einer der Knackpunkt­e wird sein, wie man sich in der Definition von Terroriste­n annähert, weil Russland nicht nur die Extremiste­nmiliz IS, sondern auch andere Gegner des Regimes als Terroriste­n bezeichnet. Er hoffe, dass Trump Russland freie Hand geben werde, den IS zu bekämpfen, sagte Putin.

Seine Rede war eine aus der Position der neu gewonnenen Stärke. Einmal mehr sprach er von der Augenhöhe in den internatio­nalen Beziehunge­n und davon, dass Russland eine „Verletzung seiner Interessen nicht zulassen“werde.

Die Außenpolit­ik, als deren wichtige Vektoren er China, Indien und Japan nannte, nahm übrigens nur einen kleinen Teil der Rede ein. Der weitaus größere war der Wirtschaft gewidmet.

Dabei merkte Putin an, dass die Hauptgründ­e für die maue Lage nicht die Sanktionen, sondern die inneren Probleme seien. In der Tat haben die Sanktionen – und noch mehr der Ölpreisver­fall – nur die Strukturkr­ise verstärkt, so dass das BIP 2015 um 3,7 Prozent schrumpfte. Dass es gelang, die makroökono­mische Stabilität zu gewährleis­ten, wie Putin sagte, wird inzwischen auch von internatio­nalen Organisati­onen bestätigt. Der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) hat soeben die Prognose für Russland nach oben korrigiert und erwartet nach einem Rückgang um 0,6 Pro- zent 2016 ein Plus von 1,1 Prozent für 2017. Dass Putin gestern als Forderung ausgab, Russlands BIP dürfe ab 2019 nicht langsamer wachsen als die Weltwirtsc­haft insgesamt, erinnert indes an frühere Losungen, die oft nicht realisiert wurden. Von einer „sehr ambitionie­rten Aufgabe“, sprach daher auch Finanzmini­ster Anton Siluanov etwas euphemisti­sch.

Neuer Entwicklun­gsplan

Wiederholt haben Vertreter des russischen Wirtschaft­ssektors wie auch das Wirtschaft­sministeri­um selbst gewarnt, dass ohne einschneid­ende Strukturre­formen eine jahrelange Stagnation drohe. Gleichzeit­ig gilt unter Beobachter­n als ausgemacht, dass vor den Präsidente­nwahlen 2018 keine größere Reform zu erwarten ist. Spätestens Mai 2017 will Putin einen Entwicklun­gsplan bis 2025 vorliegen haben, sagte er.

Laut IWF wird die Weltwirtsc­haft übrigens um etwa drei Prozent pro Jahr zulegen. Für Russland im Jahr 2019 erwartet das Wirtschaft­sministeri­um aber nur ein Plus von 2,1 Prozent – und selbst das sei „wenig wahrschein­lich“, hat der neue Wirtschaft­sminister, Maxim Oreschkin, gesagt, als er noch Vizeminist­er war.

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