Putin: „Wir brauchen Freunde“
Russland. In seiner Rede an die Nation signalisierte der Staatschef dem künftigen US-Präsidenten Trump seine Kooperationsbereitschaft. Für die Wirtschaft gab er wenig realistische Losungen aus.
Wien/Moskau. Im goldverzierten Georgssaal, dem prunkvollsten Raum des Großen Kreml-Palastes, wurde es gestern eng. Alles, was innerhalb des russischen Establishments Rang und Namen hat, war gekommen. Und wer nicht geladen war, verfolgte im Staats-TV, welchen Ton Präsident Wladimir Putin in seiner diesjährigen Rede zur Lage der Nation anschlagen würde. Er war gemäßigt – vor allem im Vergleich zu den beiden vorigen Jahren, als Putin die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim und das damalige Zerwürfnis mit der Türkei akzentuiert hatte.
Gestern, Donnerstag, betonte Putin seine Kooperationsbereitschaft mit dem Westen. „Russland will keine Konfrontation mit irgendjemandem“, sagte er: „Im Unterschied zu unseren ausländischen Kollegen suchen und suchten wir nie Feinde. Wir brauchen Freunde.“
Auf Augenhöhe
Putin hatte dabei den designierten US-Präsidenten Donald Trump vor Augen. Mit ihm sei er aufgrund der gemeinsamen Verantwortung für die globale Sicherheit zu kooperieren bereit. Beim kürzlich geführten Telefonat mit Trump sei man sich jedenfalls einig gewesen, dass das bilaterale Verhältnis korrigiert werden müsse, sagte er.
Schlechter kann es ohnehin kaum werden. Gerade im Fall Syrien steht Russlands Regierung unter immer größerem Druck seitens des Westens, die gemeinsam mit dem Assad-Regime ausgeführten Angriffe auf die Stadt Aleppo zumindest für die Lieferung von Hilfsgütern zu unterbrechen. Verfahren bleibt auch die Causa Ukraine, wo das Säbelrasseln gerade wieder losgeht, weil die Ukraine nahe der Krim Flugabwehrraketen testete und Russland mehrere Kriegsschiffe in Bereitschaft versetzte.
Trump hat im Wahlkampf eine neue Russland-Politik angekündigt. Einer der Knackpunkte wird sein, wie man sich in der Definition von Terroristen annähert, weil Russland nicht nur die Extremistenmiliz IS, sondern auch andere Gegner des Regimes als Terroristen bezeichnet. Er hoffe, dass Trump Russland freie Hand geben werde, den IS zu bekämpfen, sagte Putin.
Seine Rede war eine aus der Position der neu gewonnenen Stärke. Einmal mehr sprach er von der Augenhöhe in den internationalen Beziehungen und davon, dass Russland eine „Verletzung seiner Interessen nicht zulassen“werde.
Die Außenpolitik, als deren wichtige Vektoren er China, Indien und Japan nannte, nahm übrigens nur einen kleinen Teil der Rede ein. Der weitaus größere war der Wirtschaft gewidmet.
Dabei merkte Putin an, dass die Hauptgründe für die maue Lage nicht die Sanktionen, sondern die inneren Probleme seien. In der Tat haben die Sanktionen – und noch mehr der Ölpreisverfall – nur die Strukturkrise verstärkt, so dass das BIP 2015 um 3,7 Prozent schrumpfte. Dass es gelang, die makroökonomische Stabilität zu gewährleisten, wie Putin sagte, wird inzwischen auch von internationalen Organisationen bestätigt. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat soeben die Prognose für Russland nach oben korrigiert und erwartet nach einem Rückgang um 0,6 Pro- zent 2016 ein Plus von 1,1 Prozent für 2017. Dass Putin gestern als Forderung ausgab, Russlands BIP dürfe ab 2019 nicht langsamer wachsen als die Weltwirtschaft insgesamt, erinnert indes an frühere Losungen, die oft nicht realisiert wurden. Von einer „sehr ambitionierten Aufgabe“, sprach daher auch Finanzminister Anton Siluanov etwas euphemistisch.
Neuer Entwicklungsplan
Wiederholt haben Vertreter des russischen Wirtschaftssektors wie auch das Wirtschaftsministerium selbst gewarnt, dass ohne einschneidende Strukturreformen eine jahrelange Stagnation drohe. Gleichzeitig gilt unter Beobachtern als ausgemacht, dass vor den Präsidentenwahlen 2018 keine größere Reform zu erwarten ist. Spätestens Mai 2017 will Putin einen Entwicklungsplan bis 2025 vorliegen haben, sagte er.
Laut IWF wird die Weltwirtschaft übrigens um etwa drei Prozent pro Jahr zulegen. Für Russland im Jahr 2019 erwartet das Wirtschaftsministerium aber nur ein Plus von 2,1 Prozent – und selbst das sei „wenig wahrscheinlich“, hat der neue Wirtschaftsminister, Maxim Oreschkin, gesagt, als er noch Vizeminister war.