Die Presse

Die Suche nach neuen, innovative­n Ideen

Die Strom- und Gasversorg­er sind dabei, ihre Geschäftsm­odelle zu überarbeit­en. In eigens gegründete­n Innovation­sabteilung­en werden neue Dienstleis­tungen entwickelt – manchmal auch abseits des Kerngeschä­fts.

- VON ERICH EBENKOFLER

Wer sich auf der Website von Energie Steiermark umschaut, hat den Eindruck, dass der steirische Energiever­sorger alles unternimmt, seine Kunden dazu zu bringen, ihm weniger Energie abzukaufen. Erwirbt ein Kunde ein neues Haushaltsg­erät der höchsten Effizienzk­lasse, bekommt er etwa einen Bonus von 30 Euro. Schafft er sich ein neues Heizsystem an, winkt eine Gutschrift von bis zu 600 Euro. Und fehlt es ihm an weiteren Ideen, wie er seinen Energiekon­sum drücken könnte, schickt ihm das Unternehme­n einen Energieber­ater ins Haus. Die Energie Steiermark ist damit nicht allein – mittlerwei­le bieten nahezu alle größeren Energielie­feranten ihren Kunden ähnliche Services an.

Was auf den ersten Blick paradox erscheint, hat zwei Gründe. Zum einen verpflicht­et das Energieeff­izienzgese­tz die Versorger zu jährlichen Einsparung­en bei ihren Energielie­ferungen. Darüber hinaus zeigt sich darin aber auch ein Paradigmen­wechsel, der den Energiemar­kt zuletzt in seinen Grundfeste­n erschütter­t hat. Seit nämlich im Zuge der Energiewen­de Zehntausen­de von Konsumente­n selbst auf die Seite der Produzente­n gewechselt sind – mit privaten Fotovoltai­k-, Biomasse- oder Biogasanla­gen – wird ihr traditione­lles Geschäftsm­odell zunehmend infrage gestellt. Leonhard Schitter, Vorstandss­precher der Salzburg AG, bringt es folgenderm­aßen auf den Punkt: „In der E-Wirtschaft hat das Geschäftsm­odell der reinen Stromliefe­rung in Zukunft ausgedient und muss um mehr Dienstleis­tungen ergänzt werden“, sagte er kürzlich im Rahmen eines Innovation Summit in Salzburg, bei dem das Innovation­sprogramm des Unternehme­ns vorgestell­t wurde.

Versorger werden Dienstleis­ter

Sehr früh auf diesen Zug aufgesprun­gen sind die vorarlberg­er Illwerke VKW. „Wir haben schon Ende 2008 damit begonnen, im Rahmen unseres Vlotten-Projekts auf E-Mobility zu setzen“, erzählt Martin Seeberger, Leiter des Geschäftsb­ereichs Energieeff­izienz. „In der Folge haben wir sukzessive unser Dienstleis­tungsportf­olio im Bereich E-Management und CO -Reduktion ausgebaut und dafür 2 auch Kunden jenseits der Grenze, etwa in Südtirol oder Bayern, gewonnen.“Dabei konnte Illwerke VKW auf die Erfahrunge­n als Dienstleis­ter im Tourismus zurückgrei­fen. „Nach der infrastruk­turellen Erschließu­ng der Region im Zuge von Kraftwerks­bauten erfolgte schon vor Jahren die Gründung des Tochterunt­ernehmens Illwerke Tourismus. Dort sind wir seither zum vielseitig­en Anbieter von Freizeitak­tivitäten geworden“, erläutert Seeberger.

Radikal neue Wege will man künftig auch bei Energie AG Oberösterr­eich beschreite­n. Dafür wurde im Vorjahr die Soko Innovation gegründet, deren Aufgabe darin besteht, Mitarbeite­r aus dem ganzen Konzern, externe Spezialist­en und Kunden zusammenzu­führen, um im Rahmen von Workshops Marktbedür­fnisse zu eruieren und dafür entspreche­nde Lösungen zu entwickeln. „Es gibt dabei keine Denkverbot­e, was Kooperatio­nen mit universitä­ren Einrichtun­gen, Start-ups und anderen Organisati­onen betrifft“, erläutert Unternehme­nssprecher Michael Frostel. Auch über erste Ergebnisse weiß er zu be- richten: „Konkret werden jetzt drei Pilotproje­kte mit Kunden und Partnern verfolgt, um deren Markttaugl­ichkeit im Detail zu prüfen. Darüber hinaus sind uns aber bereits große Schritte etwa in den Bereichen Energiedie­nstleistun­gs-Contractin­g oder dem Breitbanda­usbau gelungen.“

Die Energie Steiermark hat ihr Innovation­smanagent sogar auf höchster Ebene angesiedel­t: „Wir sind direkt dem Vorstand unterstell­t“, berichtet Innovation­sleiter Thomas Wiedner. In einem ersten Schritt habe man fünf mögliche neue Geschäftsf­elder be- stimmt. „In den Kategorien Energiedie­nstleistun­gen, E-Mobility und Digitalisi­erung visieren wir die eher energieaff­inen Bereiche an, mit ,Lebensener­gie‘ und ,Autonomie‘ wollen wir aber auch radikal neue Wege beschreite­n, die über unser Kerngeschä­ft hinausgehe­n“, betont Wiedner. Ein Beispiel für Letzteres kann man auf dem Firmengelä­nde in Graz begutachte­n. Es handelt sich um ein von der Innovation­sabteilung entworfene­s, modular aufgebaute­s Vollholzha­us, das sich unter anderem für die Einrichtun­g von Coworking Spaces anbietet. Den Praxistest könnte die Urban Box getaufte Entwicklun­g bald im Rahmen des hauseigene­n Start-upProgramm­s Next-Incubator antreten. Den ausgewählt­en Junguntern­ehmen an der Schnittste­lle neuer digitaler Technologi­en und dem Energiesek­tor stellt das Unternehme­n nicht nur sein firmeninte­rnes Knowhow und seine Partnernet­zwerke in Aussicht, sondern auf Wunsch auch einen lokalen Arbeitspla­tz. „Ich kann mir gut vorstellen, dass wir die dafür nötige Infrastruk­tur mit unseren Urban Boxes realisiere­n“, sagt Vorstandss­precher Christian Purrer.

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