Die Suche nach neuen, innovativen Ideen
Die Strom- und Gasversorger sind dabei, ihre Geschäftsmodelle zu überarbeiten. In eigens gegründeten Innovationsabteilungen werden neue Dienstleistungen entwickelt – manchmal auch abseits des Kerngeschäfts.
Wer sich auf der Website von Energie Steiermark umschaut, hat den Eindruck, dass der steirische Energieversorger alles unternimmt, seine Kunden dazu zu bringen, ihm weniger Energie abzukaufen. Erwirbt ein Kunde ein neues Haushaltsgerät der höchsten Effizienzklasse, bekommt er etwa einen Bonus von 30 Euro. Schafft er sich ein neues Heizsystem an, winkt eine Gutschrift von bis zu 600 Euro. Und fehlt es ihm an weiteren Ideen, wie er seinen Energiekonsum drücken könnte, schickt ihm das Unternehmen einen Energieberater ins Haus. Die Energie Steiermark ist damit nicht allein – mittlerweile bieten nahezu alle größeren Energielieferanten ihren Kunden ähnliche Services an.
Was auf den ersten Blick paradox erscheint, hat zwei Gründe. Zum einen verpflichtet das Energieeffizienzgesetz die Versorger zu jährlichen Einsparungen bei ihren Energielieferungen. Darüber hinaus zeigt sich darin aber auch ein Paradigmenwechsel, der den Energiemarkt zuletzt in seinen Grundfesten erschüttert hat. Seit nämlich im Zuge der Energiewende Zehntausende von Konsumenten selbst auf die Seite der Produzenten gewechselt sind – mit privaten Fotovoltaik-, Biomasse- oder Biogasanlagen – wird ihr traditionelles Geschäftsmodell zunehmend infrage gestellt. Leonhard Schitter, Vorstandssprecher der Salzburg AG, bringt es folgendermaßen auf den Punkt: „In der E-Wirtschaft hat das Geschäftsmodell der reinen Stromlieferung in Zukunft ausgedient und muss um mehr Dienstleistungen ergänzt werden“, sagte er kürzlich im Rahmen eines Innovation Summit in Salzburg, bei dem das Innovationsprogramm des Unternehmens vorgestellt wurde.
Versorger werden Dienstleister
Sehr früh auf diesen Zug aufgesprungen sind die vorarlberger Illwerke VKW. „Wir haben schon Ende 2008 damit begonnen, im Rahmen unseres Vlotten-Projekts auf E-Mobility zu setzen“, erzählt Martin Seeberger, Leiter des Geschäftsbereichs Energieeffizienz. „In der Folge haben wir sukzessive unser Dienstleistungsportfolio im Bereich E-Management und CO -Reduktion ausgebaut und dafür 2 auch Kunden jenseits der Grenze, etwa in Südtirol oder Bayern, gewonnen.“Dabei konnte Illwerke VKW auf die Erfahrungen als Dienstleister im Tourismus zurückgreifen. „Nach der infrastrukturellen Erschließung der Region im Zuge von Kraftwerksbauten erfolgte schon vor Jahren die Gründung des Tochterunternehmens Illwerke Tourismus. Dort sind wir seither zum vielseitigen Anbieter von Freizeitaktivitäten geworden“, erläutert Seeberger.
Radikal neue Wege will man künftig auch bei Energie AG Oberösterreich beschreiten. Dafür wurde im Vorjahr die Soko Innovation gegründet, deren Aufgabe darin besteht, Mitarbeiter aus dem ganzen Konzern, externe Spezialisten und Kunden zusammenzuführen, um im Rahmen von Workshops Marktbedürfnisse zu eruieren und dafür entsprechende Lösungen zu entwickeln. „Es gibt dabei keine Denkverbote, was Kooperationen mit universitären Einrichtungen, Start-ups und anderen Organisationen betrifft“, erläutert Unternehmenssprecher Michael Frostel. Auch über erste Ergebnisse weiß er zu be- richten: „Konkret werden jetzt drei Pilotprojekte mit Kunden und Partnern verfolgt, um deren Markttauglichkeit im Detail zu prüfen. Darüber hinaus sind uns aber bereits große Schritte etwa in den Bereichen Energiedienstleistungs-Contracting oder dem Breitbandausbau gelungen.“
Die Energie Steiermark hat ihr Innovationsmanagent sogar auf höchster Ebene angesiedelt: „Wir sind direkt dem Vorstand unterstellt“, berichtet Innovationsleiter Thomas Wiedner. In einem ersten Schritt habe man fünf mögliche neue Geschäftsfelder be- stimmt. „In den Kategorien Energiedienstleistungen, E-Mobility und Digitalisierung visieren wir die eher energieaffinen Bereiche an, mit ,Lebensenergie‘ und ,Autonomie‘ wollen wir aber auch radikal neue Wege beschreiten, die über unser Kerngeschäft hinausgehen“, betont Wiedner. Ein Beispiel für Letzteres kann man auf dem Firmengelände in Graz begutachten. Es handelt sich um ein von der Innovationsabteilung entworfenes, modular aufgebautes Vollholzhaus, das sich unter anderem für die Einrichtung von Coworking Spaces anbietet. Den Praxistest könnte die Urban Box getaufte Entwicklung bald im Rahmen des hauseigenen Start-upProgramms Next-Incubator antreten. Den ausgewählten Jungunternehmen an der Schnittstelle neuer digitaler Technologien und dem Energiesektor stellt das Unternehmen nicht nur sein firmeninternes Knowhow und seine Partnernetzwerke in Aussicht, sondern auf Wunsch auch einen lokalen Arbeitsplatz. „Ich kann mir gut vorstellen, dass wir die dafür nötige Infrastruktur mit unseren Urban Boxes realisieren“, sagt Vorstandssprecher Christian Purrer.