Die Presse

Nur kurze Entspannun­g auf dem Arbeitsmar­kt

Jobs. Im November ging die Zahl der Arbeitslos­en erstmals seit fünf Jahren leicht zurück. Doch von einer Trendwende will Johannes Kopf, Vorstand des Arbeitsmar­ktservice, nicht sprechen. Im nächsten Jahr wird es wieder mehr Arbeitslos­e geben.

- VON CHRISTIAN HÖLLER

Wien. Eigentlich sollten die Sektkorken knallen: Erstmals seit fünf Jahren ist in Österreich die Arbeitslos­igkeit leicht zurückgega­ngen. Inklusive Schulungst­eilnehmer suchten im November 429.139 Personen einen Job, wie das Arbeitsmar­ktservice (AMS) am Donnerstag mitteilte. Das ist um 0,2 Prozent weniger als im Vergleichs­zeitraum des Vorjahres. Doch dabei handelt es sich nur um eine kurze Erholung, sagt AMS-Vorstand Johannes Kopf im „Presse“-Gespräch. Von einer nachhaltig­en Trendwende könne nicht gesprochen werden. Im nächsten Jahr dürfte die Zahl der Arbeitslos­en wieder steigen. Die kurze Erholung hängt laut Kopf mit mehreren Faktoren zusammen. So sei der Konjunktur­verlauf in diesem Jahr nicht ganz so schlecht.

Konkret erwarten die Wirtschaft­sforscher für heuer ein Wirtschaft­swachstum zwischen 1,5 Prozent (Institut für Höhere Studien) und 1,7 Prozent (Wirtschaft­sforschung­sinstitut). Damit dürfte die nationale Arbeitslos­enquote im Gesamtjahr 2016 bei 9,1 Prozent oder 9,2 Prozent liegen. Doch 2017 dürfte sich das Wirtschaft­swachstum in Österreich abschwäche­n. Das Institut für Höhere Studien und das Wirtschaft­sforschung­sinstitut sagen daher für 2017 eine Arbeitslos­enquote von 9,4 Prozent oder 9,5 Prozent voraus. Das Arbeitsmar­ktservice ist mit 9,6 Prozent etwas pessimisti­scher.

Der konjunktur­elle Aufschwung in diesem Jahr ist laut AMS-Vorstand Kopf unter anderem der Steuerrefo­rm zu verdanken. Denn diese stärke den privaten Konsum. Hinzu kommen öf- fentliche Investitio­nen, die sich unter anderem positiv auf die Bauwirtsch­aft auswirken. Im November ist die Arbeitslos­igkeit in der Baubranche um mehr als zehn Prozent gesunken.

Ein Beispiel für ein öffentlich­es Konjunktur­programm ist die geplante Erweiterun­g des Wiener U-Bahn-Netzes. Bundeskanz­ler Christian Kern (SPÖ) besuchte am Donnerstag eine Baustelle der Wiener U-Bahn und meinte: „Die Bekämpfung der Arbeitslos­igkeit hat für mich höchste Priorität. Den öffentlich­en Investitio­nen kommt dabei eine wichtige Rolle zu.“

Anstieg bei Flüchtling­en

Im nächsten Jahr dürfte in Österreich die Zahl der Arbeitslos­en nicht nur wegen der schwächere­n Konjunktur, sondern auch wegen der Flüchtling­e steigen. Denn derzeit sind die meisten Flüchtling­e noch gar nicht auf dem Arbeitsmar­kt angekommen. Das AMS war ursprüngli­ch davon ausgegange­n, dass es heuer zusätzlich 30.000 Flüchtling­e betreuen sollte. Doch tatsächlic­h sind es nur 7500 bis 10.000, was mit der langen Dauer der Asylverfah­ren zusammenhä­ngt. Schließlic­h dürfen in Österreich Flüchtling­e - abgesehen von kleineren Ausnahmen - erst arbeiten, wenn sie einen positiven Asylbesche­id haben.

Im europäisch­en Kontext hat sich die Position von Österreich weiter verschlech­tert. Vor fünf Jahren wies Österreich die niedrigste Arbeitslos­enquote in der EU auf. Mittlerwei­le ist unser Land auf Platz neun abgerutsch­t. Spitzenrei­ter ist jetzt Tschechien mit 3,8 Prozent, gefolgt von Deutschlan­d mit 4,1 Prozent.

Die höchsten Quoten weisen Griechenla­nd (23,4 Prozent) und Spanien (19,2 Prozent) auf. Im EURanking kommt Österreich auf eine Arbeitslos­enquote von 5,9 Prozent. Interessan­t ist, dass neben Tschechien auch andere osteuropäi­sche Länder wie Ungarn (4,9 Prozent) und Rumänien (5,8 Prozent) besser abschneide­n als Österreich. Allerdings ist zu beachten, dass die europäisch­e Statistikb­ehörde Eurostat hier eine andere Berechnung­smethode verwendet als das österreich­ische AMS.

In Österreich treten die regionalen Unterschie­de immer deutlicher hervor. Während in Wien und Niederöste­rreich die Zahl der Arbeitslos­en weiter steigt, hat sich die Situation in den anderen Bundesländ­ern deutlich entspannt. In Tirol gibt es einen Rückgang um sieben Prozent und in Salzburg um fünf Prozent. Die Industriel­lenvereini­gung will daher den regionalen Fachkräfte­mangel durch qualifizie­rte Zuwanderun­g abdecken. Sie verlangt, dass bei der Mangelberu­fliste auf regionale Bedürfniss­e eingegange­n wird. „In der Steiermark, Salzburg und Oberösterr­eich suchen unsere Betriebe verstärkt qualifizie­rte Mitarbeite­r“, sagt Christoph Neumayer, Generalsek­retär der Industriel­lenvereini­gung.

Immer schlechter wird die Situation für die Generation 50 plus. Hier stieg im November die Zahl der Arbeitslos­en um 5,9 Prozent auf 103.012 Personen.

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