Die Presse

Der Kampf um das Holz war gestern

Abfall. Lange Zeit war Recycling ein gutes Geschäft. Doch heute erstickt Österreich in altem Holz. Entsorger müssen dafür zahlen, dass sie den Rohstoff noch an Fabriken liefern dürfen.

- VON MATTHIAS AUER

Wien. 50 Euro für eine Tonne Abfall. So viel hat Hans Roth, Chef des steirische­n Entsorgung­sbetriebs Saubermach­er, noch vor einem guten Jahr bekommen, wenn er eine Tonne Abfallholz an eine heimische Fabrik geliefert hat. Dort wurden die alten Sessel, Holzlatten und Fensterläd­en zu neuen Spanplatte­n gepresst, für die Papierprod­uktion verwendet oder in Biomassekr­aftwerken verheizt.

Das recycelte Holz war damals noch ein begehrter Rohstoff, denn frisches Holz aus dem Wald war eher knapp. So knapp, dass manche Papierkonz­erne viel Geld ausgaben, um etwa den Bau eines neuen Biomassekr­aftwerks in Klagenfurt zu verhindern – aus Sorge, letztlich ohne Rohstoff dazusitzen.

Heute, keine 15 Monate später, sieht die Welt ganz anders aus. Wenn Hans Roth in wenigen Wochen mit derselben Tonne Altholz bei einem Produktion­sbetrieb anklopft, kann er froh sein, wenn dieser ihm seinen Rohstoff noch abnimmt. 50 Euro wird er dafür nicht mehr sehen. Im Gegenteil: Um sicherzuge­hen, dass er das Holz auch loswird, wird der Entsorger dem Unternehme­n für jede übernommen­e Tonne rund 30 Euro zustecken.

Viel deutsches Holz im Land

Damit ist die Abfallwirt­schaft in einer ähnlichen Lage, wie es die deutschen Stromerzeu­ger sind. Auch sie hatten an besonders windreiche­n Tagen in den vergangene­n Jahren oft so viel Strom, dass sie dafür bezahlen mussten, dass jemand diese überschüss­ige Elektrizit­ät auch verbraucht. Doch an- ders als in der Energiebra­nche ist die Ursache für die sogenannte­n Negativpre­ise beim Abfallholz keine aus dem Ufer gelaufene Förderung. Es gibt schlichtwe­g zu viel altes Holz im Land – und zu wenige, die es gebrauchen könnten.

Die Gründe dafür sind vielfältig: Der anhaltende Wirtschaft­sboom in Deutschlan­d, der niedrige Ölpreis, die Abwanderun­g der heimischen Industrie, drei milde Winter, die italienisc­he Bürokratie und strengere Gesetze in Österreich. Aber der Reihe nach. Jedes Jahr fallen in Österreich rund 760.000 Tonnen Altholz an, die von der Abfallindu­strie verwertet werden müssen. Zudem werden im Schnitt rund 230.000 Tonnen importiert (siehe Grafik). Solange die Rohstoffpr­eise hoch waren, war der Verkauf von recycel-

tem Papier, Plastik oder Holz ein blühendes Geschäft. Doch seit dem Preissturz beim Erdöl vor zwei Jahren ist alles anders. Der tiefe Fall des schwarzen Goldes hat auch alle übrigen Rohstoffe nach unten gerissen, der Markt für Sekundärro­hstoffe, die aus dem Abfall gewonnen werden können, schrumpft.

Doch während es für altes Plastik oder Metalle zumindest einen Weltmarkt gibt, die Entsorger also global nach Abnehmern suchen können, ist die Situation beim Holz anders. Holz ist sperrig, es kann nicht gut verdichtet werden. Ein Transport über Hunderte oder gar Tausende Kilometer lohnt sich daher nicht. Zudem fällt „immer mehr Ware zum Verwerten an“, sagt Hans Roth.

Drei milde Winter mit wenig Heizbedarf hätten die Lagerbestä­nde vergrößert, zudem hätten die heimischen Forstwirte im Vorjahr über eine Million Festmeter an ungeplante­m Schadholz zusätzlich aus dem Wald gebracht. Damit nicht genug. Auch aus dem Ausland drängt Abfallholz über die Grenzen. Und zwar zu besten Preisen. So fällt in Deutschlan­d aufgrund der guten Konjunktur deutlich mehr Altholz an als früher. Die deutschen Kapazitäte­n sind erschöpft, an vielen Orten gibt es bereits Annahmesto­pps. Daher seien Deutsche bereit, für die Entsorgung in Österreich deutlich mehr zu zahlen als heimische Firmen, so der Saubermach­er-Chef.

Weniger Holz darf verbrennen

Auch Italien fehlen eigene Verwertung­sanlagen – und das wohl noch für längere Zeit. Unter zwölf Jahren ist kein Genehmigun­gsverfahre­n beendet. „Es besteht die Gefahr, dass heimische Mengen verdrängt werden“, sagt Roland Pomberger, Professor für Abfallwirt­schaft an der Montan-Uni Leoben. „Nur zehn Prozent mehr Altholz, und wir haben ein Problem.“Denn während das Angebot steigt, geht die Nachfrage zurück. Die Deindustri­alisierung setzt der Branche zu. „Jedes Spanplatte­nwerk, das nach Rumänien geht, ist eine Katastroph­e für uns“, so Roth. Im kommenden Jahr könnte sich die Lage weiter zuspitzen, denn der Abfallindu­strie geht ein weiterer Hauptabneh­mer verloren. 200.000 Tonnen Altholz wurden bisher in Biomassekr­aftwerken verbrannt. Nicht immer ging es dabei mit rechten Dingen zu, erzählen Experten hinter vorgehalte­ner Hand. Auch behandelte Hölzer oder lackierte Fensterläd­en seien ins Feuer geworfen worden. Eine Novelle der Altholzrec­yclingvero­rdnung soll dem ein Ende setzen. In Hinkunft werden daher wohl nur noch rund 80.000 Tonnen Altholz im Jahr verbrannt werden. Der Rest muss anderweiti­g verwertet werden. Für die Entsorgung­sbetriebe bedeutet das: Noch mehr Holz, noch weniger Abnehmer und eine schlechte Nachricht für die Kunden: Der Preis wird steigen.

Nur zehn Prozent mehr Altholz, und wir haben ein Problem. Roland Pomberger Montanuniv­ersität Leoben

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