Die Presse

Wer füllt die Finanzieru­ngslücke?

Alternativ­finanzieru­ng. Dass Private Firmen Geld verleihen, findet Ökonom sinnvoll.

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Wien. „Es gibt keine Kreditklem­me“, sagt Gottfried Haber, Ökonom und Professor an der DonauUni Krems. Mit diesem Satz habe er sich schon öfter den Unmut seines Publikums zugezogen, räumt er ein, „weil ich den zweiten Teil nicht schnell genug dazugesagt habe“. Nämlich, dass es sehr wohl eine Finanzieru­ngslücke für mittelstän­dische Unternehme­n gibt. Diese sei jedoch nichts Neues: „Das war schon in den 1990erJahr­en so, bloß die Intensität ist stärker geworden.“

Haber sprach beim Gewerbever­ein zum Thema „Wer finanziert die Zukunft des Standortes Österreich?“Konkret ging es um die Praxistaug­lichkeit neuer Finanzieru­ngsformen, wie sie das seit gut einem Jahr geltende Alternativ­finanzieru­ngsgesetz (AltFG) vorsieht. Die Bezeichnun­g „Alternativ­finanzieru­ng“treffe nicht wirklich den Kern der Sache, meint der Ökonom. „Besser sollte es Komplement­ärfinanzie­rung heißen.“Denn dass Mittelstän­dler Geld bei privaten Anlegern aufnehmen können, sei oft keine Alternativ­e, sondern eine Ergän- zung zum Bankkredit. „Ich sage den Banken auch immer: Freut euch doch, dass es das gibt.“Solche Finanzieru­ngen können – sofern sie sich als Eigenmitte­l darstellen lassen – die Eigenkapit­albasis des Unternehme­ns aufstocken. Das verbessert die Bonität und kann dazu führen, dass auch ein Bankkredit möglich wird.

Kennzahlen als Problem

Sonst tun sich Banken mit Mittelstän­dlern – auch mit bereits etablierte­n, die expandiere­n wollen – oft schwer. Faktisch müssen die Institute aufgrund verschärft­er Eigenkapit­alregeln ihr Risiko zurückfahr­en. „Und das ist mit der Wachstumsf­inanzierun­g von Unternehme­n oft nicht kompatibel.“Nicht, weil das Risiko dabei tatsächlic­h so groß wäre – „aber von den Kennzahlen her ist es für die Banken problemati­sch“. So sei etwa Projektfin­anzierung schwierig darzustell­en, umso mehr, wenn es um eine Erweiterun­g ins Ausland geht.

Im praktische­n Beispiel, das an dem Abend präsentier­t wurde, ging es um eine solche Auslands- expansion: Herbert Wimberger, Seniorchef der niederöste­rreichisch­en Sanitärtec­hnikfirma Wimtec, stellte für eine Exportoffe­nsive nach Deutschlan­d eine Alternativ­finanzieru­ng mit Nachrangda­rlehen auf die Beine.

Nachrang bedeutet Eigenkapit­alähnlichk­eit – im Fall einer Pleite würden die Darlehensg­eber hinter den übrigen Gläubigern rangieren. Das wird von manchen Experten und Konsumente­nschützern kritisiert. Haber sieht das anders, er hält es sogar eher für gut, wenn das Konstrukt nichts Sparbuchäh­nliches an sich hat. Umso eher würde es den Anlegern bewusst, dass sie hier ein unternehme­risches Risiko eingehen. Wichtig sei, seriös über dieses Risiko aufzukläre­n. Dann – und bei entspreche­nder Kleinteili­gkeit der Finanzieru­ng – sei das geringere Schutznive­au vertretbar, meint er. Worauf es jetzt ankomme, sei best practice – „das bringt den Standort weiter“– und auch, dass es keine Skandale mit schwarzen Schafen gibt. Wobei klar ist: Irgendwann wird auch so etwas passieren. (cka)

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