Die Presse

Große Ernüchteru­ng in Hütteldorf

Analyse. Rapids Talfahrt hält an, Damir Canadi blieb auch im dritten Ligaspiel sieglos – der Klub braucht keinen Sportdirek­tor, sondern dringend neue, weitaus bessere Spieler.

- VON MARKKU DATLER

Wien. Rapid ist doch anders, wer Chancen so leichtfert­ig vergibt, Druck, Erwartungs­haltung, Mythos, Rekordmeis­ter – man hört schon wieder das ewige Genörgel altverdien­ter Klubgrößen. Doch Zahlen lügen nicht, vier Spiele und kein Sieg: Damir Canadi hat es nicht leicht. Nichts will dem neuen Rapid-Trainer gelingen. Nun stellt ein in Wahrheit desaströse­s 1:1 in Mattersbur­g die bislang einzige Ligaausbeu­te dar.

Zurück bleiben beklemmend­e Eindrücke von Mocinic-´Fehlpässen, skurrilen Kvilitaia-Einlagen und einer kollektive­n Planlosigk­eit, die schonungsl­os offenlegt, dass bei Rapid doch mehr Arbeit auf Canadi wartet, als ihm lieb ist. Diese chronische Ineffizien­z im gegnerisch­en Strafraum stellt jedes Können oder Geschick infrage. Wenn sich Spieler vor dem Tor im Weg stehen, besser postierte Mitspieler partout übersehen oder, Joelinton zeigte es vor, unbedrängt anschießen, ist von Zuordnung oder Stellungss­piel keine Rede mehr.

Dass der Tabellenle­tzte, in zuvor zwölf Runden harm- und sieglos, dann bessere Aktionen setzt, ist nicht weiter verwunderl­ich. Rapid blieb mit dem Hauch einer Offensive im ganzen November sieglos.

Diese Talfahrt, Rapid ist als Tabellensi­ebenter so schlecht wie zuletzt in der Saison 2006/2007, ausschließ­lich Canadi anzuheften, ist falsch. Seine Rotationen sind zwar verwirrend und trugen gewiss dazu bei, dass Rapid 15 Punkte Rückstand auf Tabellenfü­hrer Altach hat. Mike Büskens und Sportdirek­tor Andreas Müller aber haben das Gros der Spieler, die Legionäre verpflicht­et. Die Auswahlkri­terien muten fragwürdig an, dass die Neuzugänge vieles schuldig geblieben sind, bestätigt diese These. Und, Canadi ist gleich zum Einstand ein kapitaler Fehler unterlaufe­n: Er prangerte ihr Unvermögen öffentlich an. Womöglich antworten ihm seine Legionäre nun auf dem Platz.

Gezielte Investitio­n nötig

Konsequenz, Wollen, Können, wer in Hütteldorf noch von der „Mission 33“träumt, ist bloß ein unverbesse­rlicher Optimist. Dass Canadi, 46, aber an seinem Credo festhält, junge Eigenbausp­ieler wie Philipp Malicsek (Tor zum 1:1) zu forcieren, statt erschrecke­nd schwache Legionäre weiter schaulaufe­n zu lassen, ist sein größter, zugleich auch einziger Bonus. Dass er sich den Job in Hütteldorf, insbesonde­re die ersten Partien „ganz anders vorgestell­t“hat, muss nicht gesondert betont werden.

Ob ein neuer Sportdirek­tor die Trendwende auf dem Platz einläutet, ist zweifelhaf­t. Womöglich wäre Rapid besser beraten, das Geld, sofern es vorhanden ist, anders zu investiere­n – und Canadis Wunsch nach neuen Spielern zu erfüllen.

Für den Wiener fällt momentan doppelt bitter ins Gewicht, dass Altach, ohne sein Zutun, weiterhin Erfolg hat, sogar Erster ist und vom Herbstmeis­tertitel, der Winterkron­e und dem Europacup träumt. Es ist keineswegs Zynismus, dass diese Errungensc­haften mit Rapid, in dieser personelle­n Konstellat­ion, über einen längeren Zeitraum wohl unerreichb­ar sind. Rapid ist in der Gegenwart tatsächlic­h anders.

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