Die Presse

Mit Qualtinger im Flieger

Ausstellun­g. Michael Horowitz fotografie­rt seit 50 Jahren Menschen. Über Sinowatz als Clown, Thomas Bernhard auf dem Fahrrad, Ausflüge mit Qualtinger.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Michael Horowitz war in der 7. Klasse, als er dem Herrn Oberstudie­nrat Bauchschme­rzen meldete. Er durfte die Schule verlassen, doch statt ins Bett schwang er sich auf das Moped und fuhr nach Schwechat, wo eben König Olav V. von Norwegen gelandet war. Horowitz schaffte es mit seiner Kamera in die erste Reihe. Dumm nur, dass ihn am Abend der Direktor im Fernsehen erkannte. Er habe dann, erzählt Horowitz, seine schulische Karriere vorzeitig beendet. Während seine Mitschüler sich mit den von ihm verhassten Fächern Mathematik und DG befassten, war er schon in New York und Südafrika.

Es war der Beginn der ersten Schaffensp­hase des Fotografen Michael Horowitz. Zwischen 1966 und 1986 war er überall, wo er das Gefühl hatte, es tue sich Spannendes. In der zweiten Phase, 2006 bis 2016, wieder, diesmal allerdings in Farbe und noch öfter auf Reisen. Dazwischen schrieb er etwa Biografien über Heimito von Doderer und Karl Kraus, gründete die „Freizeit“-Beilage des „Kurier“, griff 25 Jahre nicht zur Kamera, außer, um seine Hunde zu fotografie­ren. Aber am Ende war „doch die Lust zu groß“.

So spannen sich zwischen 1966 und heute „50 Jahre Menschenbi­lder“, wie die Ausstellun­g heißt, die ihm Danielle Spera im Jüdischen Museum am Judenplatz geschenkt hat – zu seinem gestrigen Geburtstag am 1. Dezember. Im Judentum ist Horowitz dabei nur bedingt verwurzelt. Sein jüdischer Vater, ein Theaterfot­ograf, stammte aus Galizien, seine Mutter war evangelisc­he Berline- rin, „zwei Welten“fanden hier zueinander. Religion bedeutet Horowitz wenig. „Atheist wäre für mich ein Hilfsausdr­uck.“Was ihn interessie­rt, sind die Menschen. „Es hat mich nie interessie­rt, auf einen Sonnenunte­rgang zu warten. Mir ging es nur um die Landschaft des Gesichts.“

Noch gut kann er sich daran erinnern, wie ein gewisser Helmut Qualtinger in denselben Gemeindeba­u in der Sieveringe­r Daringerga­sse zog, Qualtinger mit riesigen Kisten, die seine Bibliothek und seine Schnapssam­mlung beinhaltet­en. Qualtinger stand damals kurz vor dem „Herrn Karl“. „Ich habe mich schon als Bub von ihm angezogen gefühlt“, sagt Horowitz, „er war eine schillernd­e Figur.“Der Tisch unter dem Nussbaum in der gegenüberl­iegenden Buschensch­ank war immer für ihn und seine Freunde – Kurt Sowinetz, Erich Neuberg – reserviert. „Da hast du gespürt: Da passiert was.“Später entstanden mit Qualtinger legendäre Bilder. „Wenn man ihn getroffen hat und er gut drauf war, war er zu jedem Ausflug bereit.“In Trausdorf im Burgenland besuchten die beiden einen Kunstflieg­er. „Ich, in meinem jugendlich­en Übermut, und er, weil er vielleicht schon ein bissl was getrunken hatte, sind mit dem Wahnsinnig­en in die Luft gegangen.“

Hartnäckig­keit und Vertrauen

Qualtinger sei da freilich schon ein berühmtes Enfant terrible gewesen, ihn zu fotografie­ren „keine Kunst“. Stolz ist Horowitz auf Bilder von Menschen, deren Charisma er selbst früh erkannte. Für die Bilder von Kiki Kogelnik, die er, selbst noch Teenager, in New York fotografie­rte, bekam er ob ihrer Rarität eben ein Angebot. Auch Thomas Bernhard war noch ziemlich unbekannt, als er ihn mit einem „Spiegel“-Redakteur drei Tage lang in Ohlsdorf belagerte. Kurz bevor der Journalist abreisen musste, startete man einen letzten Versuch. Das Tor ging auf, Bernhard empfing. Und fragte gegen Ende, ob man ihn nicht auch noch auf dem Fahrrad im Keller fotografie­ren wolle. Hunderte Male ist das Bild bis heute erschienen.

Nicht nur der Augenblick, sagt Horowitz, sei für ein gutes Bild entscheide­nd: „Wichtig ist, dass man überhaupt dranbleibt.“Und dass der Fotografie­rte Vertrauen hat, nicht desavouier­t zu werden. Da hockt dann Arik Brauer unbekleide­t auf seiner Staffelei, liegt Ernst Fuchs im Schaumbad, sitzt Arnold Schwarzene­gger (halb) nackt im Hawelka, steckt Fred Sinowatz nebst einem Plüschhase­n im Clownskost­üm. „Michael Horowitz ist einer, der sieht und entdeckt, der fühlt und erkennt – als Fotograf und Schriftste­ller“, hat Hugo Portisch im Katalog geschriebe­n. Ein Satz, sagt Horowitz, der ihn freut.

 ?? [ Hans Hochstöger] ?? Michael Horowitz zeigt im Jüdischen Museum Bilder seines Fotografen­lebens – wie jenes vom Ausflug mit Helmut Qualtinger in einem Kunstflugz­eug.
[ Hans Hochstöger] Michael Horowitz zeigt im Jüdischen Museum Bilder seines Fotografen­lebens – wie jenes vom Ausflug mit Helmut Qualtinger in einem Kunstflugz­eug.

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