Die Presse

Zwentendor­f, Waldheim und es wurde richtig laut

- VON FRIEDERIKE LEIBL E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

Die

ersten Schularbei­ten, die ersten Erfahrunge­n mit Prüfungsan­gst. Was sagt man einem Kind, das nicht schlafen kann, weil es ein komisches Gefühl im Bauch hat? Es geht vorüber, glaub’s mir bitte. Aber beim nächsten Mal ist sie wahrschein­lich wieder da, die Angst. Nur weiß man dann wenigstens schon, dass sie vorbeigeht. Irgendwann hat man mehr als 200 Schularbei­ten und Prüfungen hinter sich, ist erwachsen, hat den Führersche­in und ein eigenes Konto, aber die Hände zittern, wenn man vor anderen reden soll. Und man weiß noch immer, wie es sich anfühlt, dieses Gefühl vor der Mathematik­schularbei­t.

Das ist ja schrecklic­h, meint das Kind, wenn das nie aufhört. Das Schrecklic­he ist aber nicht mehr so schrecklic­h, wenn man es einordnen kann. Und wenn sie immer wieder ohne gröbere Blessuren überstande­n wird, dann nimmt man der Angst schön langsam ihre Macht. So, oder so ähnlich, könnte man erklären, was andere Erfahrung nennen. Die einen auch lehrt, dass vieles Wiederholu­ng ist, was sich als neue Bedrohung tarnt.

Die einen sind empört, die anderen beleidigt, so fasst eine Freundin aus Kindheitst­agen die Geschehnis­se dieses Jahres zusammen. Und was fehlt nie, bei diesen Gesprächen? Dass es noch nie so war. Noch nie war es so feindselig, so laut, so völlig daneben? Erinnerst du dich an den Onkel, der für Zwentendor­f stimmte und dann wurden Sesseln geworfen, bei der Familienfe­ier? Die Waldheim-Diskussion, als beste Freunde monatelang nicht mehr miteinande­r sprachen? Wir waren noch halbe Kinder, es ging um Leben und Tod, und dass niemand den Fernsehapp­arat eingeschla­gen hat, das gilt bis heute als Wunder. Aber jetzt lachen wir darüber.

Der Humor kommt gerade ein wenig kurz. Es gibt eine bitterböse Satire aus dem Jahr 1995, „Last supper“von Stacy Title, da geht es um alles, links und rechts, Tod und Moral. Sogar das Wort Establishm­ent kommt vor. Man lacht Tränen, vor allem, weil alles schon einmal da war, wir können uns nur nicht daran erinnern.

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