Ein Europa der Nationen wäre auch schon etwas
Gastkommentar. Die Flüchtlingsbewegung zeigte, es gibt eine nationale Solidargemeinschaft, der man sich im Krisenfall zugehörig fühlen möchte.
Die EU-Idee ist so einfach wie faszinierend: Nationalstaaten wandeln sich in Mitgliedstaaten eines Verbundes. Sie sind willens, sich auf Gemeinsames zu einigen, sich in der Not solidarisch beizuspringen und wollen aus Eigeninteresse in der Weltpolitik mit einer Stimme sprechen.
Das funktionierte in der Vergangenheit mehr oder weniger, die EU-Krisen sind eine naturgemäße Zeiterscheinung. Heute sei nach den Aussagen hoher EU-Offizieller die EU in einer existenziellen Krise (Juncker), ihr drohe die Rückabwicklung durch nationalistische Bewegungen und populistisch gestimmte Regierungen (Schulz), was die ambivalente breite Meinungslage über die EU nährt.
Die diagnostizierte EU-Krise verstellt (absichtlich?) den Blick auf die problematische Allzuständigkeit der EU, auf die praktische Effektivität der Mitgliedstaaten in Krisenlagen und darauf, dass na- tionale Befindlichkeiten der Gesellschaften der Mitgliedstaaten zeitgemäße Sentiments sind.
Schon 1952 träumte der EUGründungsvater Jean Monnet von einer Europäischen Bundesregierung (für damals sechs Staaten). Die heutigen Super-Föderalisten geben seinen Traum für 28 Staaten nicht auf, was in einem aktuellen Entwurfsdokument des EU-Parlaments nachzulesen ist (http:// www.europarl.europa.eu/committees/en/afco/draft-reports.html).
Föderalisten überdrehen
Die vielseitige Krise der EU, darunter ihre „Migrationskrise“, wurzele in der zu langen Suche nach Einstimmigkeit im Rat, im Fehlen einer zentralen Exekutive, im Mangel an europäischer Vision unter Mitgliedstaaten usw. Die Rezepte: mehr Kompetenzen für die EU, normale Mehrheitsentscheidungen über die Köpfe von opponierenden Staaten hinweg, eine Art europäische Zentralregierung mit direktem Durchgriff nach unten usw. Käme diese Kopie nationaler Föderalismusmodelle im Verfassungsprozess in Gang, sie wäre ein Beitrag zur „Rückabwicklung“der EU.
Zentralisierung als Problem
Natürlich ist die europäische Integration ohne eine gewisse Zentralisierung unmöglich. Solide ökonomische Befunde zeigen, dass die EU sich regulierend in Politikbereiche einmischt, in denen die Größenvorteile gering und die Präferenzen der Staaten und Gesellschaften sehr verschieden sind. Die EU-Kommission findet im Eigeninteresse und in formelhafter Sprache immer gute Gründe für gemeinschaftliche Lösungen, weil notwendig, effizienter als nationale Regelungen usw. Das betrifft längst nicht mehr ökonomische Fragen und den europäischen Binnenmarkt.
Ähnliche Tendenzen finden sich in den sensiblen Bereichen Grenzkontrolle, Asyl und Migration, in denen die Mitgliedstaa-