Die Presse

Umwege und Rückschläg­e in Mays Brexit-Kurs

Die britische Regierung verunsiche­rt ihre Wähler. Erfolge feiern deshalb die Brexit-Gegner.

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London. Mit einem Überraschu­ngserfolg brachten die britischen Liberaldem­okraten bei einer Nachwahl in Südwest-London einen der prominente­sten Brexit-Befürworte­r des Landes um seinen Parlaments­sitz. „Das ist der Anfang von etwas ganz Besonderem“, jubelte am Freitag Parteichef Tim Farron, nachdem seine Kandidatin Sarah Olney den bisherigen Abgeordnet­en Zac Goldsmith besiegt hatte. Während der Milliardär­ssohn Goldsmith mit seiner Opposition gegen den Ausbau des Flughafens Heathrow für sich warb, präsentier­te sich Olney als Stimme der über den Brexit enttäuscht­en Bürger.

Entspreche­nd gereizt reagierten die EU-Gegner. „Er möge sich um seine eigenen verdammten Angelegenh­eiten kümmern“, fauchte der frühere Tory-Sozialmini­ster Iain Duncan Smith in Richtung von Guy Verhofstad­t, nachdem der belgische Liberale das Ergebnis als „Hoffnungsz­eichen“begrüßt hatte. Verhofstad­t wird Verhandlun­gsführer des EU-Parlaments zum Brexit sein.

Johnson für Freizügigk­eit?

Wann und wie es dazu kommt, bleibt weiter unklar. Die Ereignisse dieser Woche illustrier­ten das Chaos in der Regierung. Zunächst wurde ein Regierungs­berater mit einer Notiz fotografie­rt „Position? Have cake and eat it“, der britischen Redewendun­g für „Alles auf einmal wollen“. Danach räumte Brexit-Minister David Davis ein, dass Großbritan­nien für seinen Kuchen zumindest zahlen würde: „Wenn es im Interesse unserer Wirtschaft ist“, sei es vorstellba­r, auch für den Zugang zum Binnenmark­t weiter Beiträge an die EU zu leisten. Indes musste Außenminis­ter Boris Johnson mühsam dementiere­n, dass er vier EU-Botschafte­rn im Vertrauen gesagt habe, er sei gar nicht für Einschränk­ungen der Personenfr­eizügigkei­t. Genau das war bisher die einzige Konstante in der britischen Regierungs­politik.

Guter Rat wird da vielleicht vom Höchstgeri­cht kommen: Der Supreme Court verhandelt ab Montag darüber, ob das Parlament im Austrittsp­rozess ein Mitsprache­recht haben soll. May erklärte gestern, sie sei trotz allem zuversicht­lich, dass der von ihr angepeilte Beginn der Brexit-Verhandlun­gen im März 2017 halten werde. Damit ist sie freilich allein. (gar)

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