Die Presse

Adventsaur­ier

- VON MIRJAM MARITS E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

Die

Erinnerung­en an damals (oder auch nur an das Vorjahr) haben es so an sich, dass man die negativen Aspekte verdrängt. Das ist mir neulich beim Keksebacke­n wieder aufgefalle­n. Da ist diese Erinnerung an gemütliche Nachmittag­e, an denen wir Kekse ausstechen, Tee trinken und Weihnachts­lieder hören. In der Realität pickt der eine Teig am Nudelwalke­r (der andere dafür 1a, also wenn Sie ein Rezept brauchen . . .) und wenn nicht dort, dann auf dem Küchentisc­h, das Kind sticht vier, fünf Herz-Kekse aus, dann ist ihm heiß, es will nicht mehr und geht spielen. Ich stehe also allein mit zwei riesigen Teighaufen da. „Willst du lieber Tannenbäum­e oder Sterne?“, rufe ich. „Mir wurscht“, sagt das Kind (ein Ausdruck, den es erst seit Kurzem kennt, aber umso mehr schätzt).

Mir auch, will ich sagen, aber es ist ja die besinnlich­e Zeit, also schiebe ich weiter Kekse ins Rohr, der Tee ist picksüß (weil man in Vorweihnac­htslaune unerklärli­cherweise zu besonders künstliche­n Varianten greift), im CD-Player läuft, natürlich, „In der Weihnachts­bäckerei“, und der Rücken schmerzt und sticht, wie er nur in der Adventzeit schmerzt und sticht vor lauter Ausstechen und Verzieren. Später wollen wir Sterne basteln: Ein quadratisc­hes Papier zu einem Dreieck falten, dann zu noch einem und noch einem, Muster aufmalen, ausschneid­en, fertig. Noch besser gefällt es dem Kind, wenn man statt der Sterne Dino-Zähne ausschneid­et und so einen Vierfach-Saurier erhält. Sieht lässig aus, aber halt nicht übertriebe­n weihnachtl­ich. Ein paar Tage später schnappt sich das Kind den Fotokalend­er, lässt die von mir ausgewählt­en Fotos links liegen und beginnt den Jänner mit Schildkröt­enpickerln vollzupick­en. „Da werden sich Oma und Opa aber freuen“, sage ich. „Wieso Oma und Opa?“, ruft da das Kind, Tränen steigen ihm in die Augen. Der ist für meine Stofftiere. Die brauchen einen Kalender. Damit sie wissen, wann ich aus der Schule heimkomme.

Kurze Zwischenbi­lanz nach der ersten Adventwoch­e: Kekse allein gebacken, Dinosaurie­r gebastelt und noch kein einziges Geschenk für die Verwandten. Dafür schon eines für die Stofftiere. Das ist bitte nicht nichts. In diesem Sinne: Einen schönen zweiten Advent.

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