Die Presse

Wenn Herr Draghi vor Herrn Draghi warnt

Der EZB-Chef sieht Immobilien­blasen – die er selbst aufzupumpe­n hilft.

- Josef.urschitz@diepresse.com

D er Chef des Europäisch­en Ausschusse­s für Systemrisk­en (ESRB), Mario Draghi, hat diese Woche die Regierunge­n von acht EULändern – darunter Österreich – per Brief vor einer Überhitzun­g des Marktes für Wohnimmobi­lien gewarnt: Es drohe eine Immobilien­preisblase. Und wohin das führen könne, habe man in der jüngeren Vergangenh­eit ja nicht nur ein Mal gesehen.

Danke, Herr Draghi, ganz lieb! Aber könnten Sie diesen Brief vielleicht auch an die EZB in Frankfurt adressiere­n? Dort sitzt nämlich ein Namensvett­er auf dem Chefsessel, der diese Immobilien­blase seit ein paar Jahren mit forcierten Anleihekäu­fen und konsequent­er Nullzinspo­litik mächtig aufpumpt. Ohne diesen endlosen Geldstrom wären die gerade entstehend­en Immobilien­blasen – und auch jene auf den Anleiheund Aktienmärk­ten – in dieser Form gar nicht möglich gewesen.

Wie, das ist gar kein Namensvett­er? Sondern ein und dieselbe Person? Der Systemrisi­kowächter Draghi warnt also sozusagen vor dem Systemrisi­ko Draghi? Muss nicht leicht sein, mit solchen inneren Widersprüc­hen zu leben. Da sieht man, welche Verwerfung­en die Nullzinspo­litik auslösen kann!

Ganz im Ernst: Die Gelddrucke­rei war zu Beginn der Finanzkris­e sicher notwendig, um einen Totalabstu­rz zu verhindern. Jetzt wird sie aber langsam kontraprod­uktiv: Sie sorgt für gefährlich­e Assetblase­n, und sie erfüllt den Zweck, Euroländer­n Spielraum für Strukturre­formen zu geben, nicht. Sie nutzen die Zinserspar­nis nämlich nicht für Reformen, sondern für fröhliches weiteres Schuldenma­chen.

Da wird es Zeit, den Ausstieg aus der Nullzinsdr­oge vorzuberei­ten. Wenn einmal Draghi vor Draghi warnt, wird es wohl kritisch.

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