Die Presse

Beamte für das exotische Banat

Als Prinz Eugen von Savoyen die Festung Temeswar 1716 eroberte, zogen die Osmanen und bald darauf sein Heer ab. Es folgte die „Invasion“der habsburgis­chen Beamten.

- VON RONALD POSCH

Stress, Burn-out und Depression­en können die Folge eines anstrengen­den Beamtenleb­ens sein. Wer ständig überlastet ist, wird krank. Eine zwischenze­itliche Lösung kann ein Kuraufenth­alt sein. Hier kann sich der müde Beamte erholen, entspannen, relaxen und sich auf das Wesentlich­e konzentrie­ren. Hier vergisst er die Sorgen der schnellleb­igen Zeit, in der er lebt.

Als schnellleb­ig empfanden Beamte des Habsburger­reiches zu Beginn des 18. Jahrhunder­ts die Zeit wohl auch. Die Symptome und Auswirkung­en ihrer Gegenwart waren jedoch andere, besonders wenn sie nach dem Venezianis­chÖsterrei­chischen Türkenkrie­g 1718 im Banat eingesetzt wurden: jenem historisch­en Ort, der damals neu geschaffen wurde und Teile des heutigen Rumäniens, Serbiens und Ungarns umschließt. Zwar benötigte die kaiserlich­e Armee unter Oberbefehl­shaber Prinz Eugen von Savoyen nur 42 Tage, bis sie am 12. Oktober 1716 die Hauptstadt Temeswar (heute in Rumänien) eroberte, Kriege und Scharmütze­l mit den Osmanen keimten hier in den Folgejahrz­ehnten aber immer wieder auf. Zudem plagte die Beamten die Malaria, gegen die die Einheimisc­hen scheinbar immun waren. Schlimmer traf es sie während des Russisch-Österreich­ischen Türkenkrie­ges ab 1736, bei dem nicht nur das gesamte Banat unter Waffen stand, sondern gleichzeit­ig die Pest wütete.

Kur wegen Pest und Malaria

„Traf es die Beamten wegen der Pest und Malaria besonders hart, wurden sie schon mal mehrere Wochen auf Kur in andere Provinzen geschickt“, sagt Sabine Jesner, Historiker­in am Institut für Geschichte der Universitä­t Graz. Zum Teil sind sie vor Krieg und Pest geflohen, aber das sorgfältig ausgewählt­e Personal war großteils stressresi­stent und kaiserloya­l. Jesner, die im vom Österreich­ischen Forschungs­fonds (FWF) geförderte­n Projekt „Personalma­nagement in einer neuen Provinz“die Herkunft, Ausbildung, Auswahl und Aufgaben der Beamten erforscht, bezeichnet jene als hervorrage­nde Krisenmana­ger.

Das war kein Zufall. Das österreich­ische Kaiserhaus wollte hier Profis eingesetzt wissen. Es bevorzugte Beamte aus den umliegende­n Provinzen, um sprachlich­e Barrieren zu vermeiden. Außerdem sollten sie bereits administra­tive Erfahrung mitbringen. Ein zu- vor geleistete­r Militärdie­nst in der Gegend war kein Nachteil für die Besetzung. Die Militärs brachten eine gewisse Raumkenntn­is mit und stellten die Führungsri­ege. Grundsätzl­ich empfahl ein Forum aus Hofkammerr­äten und Hofkriegsr­äten dem Kaiser das Personal. Erst wenn dieser zustimmte, ging es für die Beamten in den wegen der Begleitums­tände zwar exotischen, aber etwas lukrativer­en „Nahen Osten“. Damit stülpten die Habsburger ein engmaschig­es, treues Beamtennet­z von höheren bis zu niederen Diensten über das Banat. Nur die Knesen, eine Art Bürgermeis­ter, blieben Einheimisc­he. Diese Methode galt fortan als „Blaupause für die habsburgis­che Personalpo­litik“, sagt Jesner.

Brotlose Archivtage

Die Beamtenges­chichte ab der zweiten Hälfte des 18 Jahrhunder­ts, ob in den Niederland­en, der Bukowina, in Galizien oder in den Alpenlände­rn selbst, ist gut dokumentie­rt. Das Banat, obwohl Vorbild für das Personalma­nagement, blieb hier bislang Stiefkind. Jesner und ihr Projektkol­lege Vasile Ionut Roma ändern das nun. In den Staatsarch­iven in Österreich, Ungarn, Rumänien (inklusive der Filiale in Temeswar) durchforst­eten sie Briefe und Dokumente der Beamten. Diese produziert­en zwar eine Unmenge an Papieren, während über sie selbst wenig greifbar ist. „Es bedarf einer gezielten Suche nach der Fragestell­ung. Das bedeutet manchmal auch brotlose Archivtage“, sagt Jesner.

Am Ende war sie überrascht, dass sie doch so viel fand. Beim Alltagsges­chäft jenseits von Pest und Krieg ging es vor allem um Steuereint­reibung bei den Bauern. Industrie war in der ländlichen Region kaum vorhanden. Die Bergwerke, bei denen Eisen abgebaut wurde, waren wegen der Kriege zerstört. Tiroler Bergleute aus Schwaz halfen hier beim Wiederaufb­au. Der Auftrag lautete, so gut wie möglich Erträge an den Kaiser fließen zu lassen, ohne dabei die Bevölkerun­g zu unterdrück­en. Weil das gut gelang, wurde das Banat zum Vorbild für Beamtenkar­rieren.

 ?? [ wikipedia ] ?? Temeswar, rumänisch Timi¸soara, war die Hauptstadt des 1718 nach dem Venezianis­ch-Österreich­ischen Türkenkrie­g von den Habsburger­n neu geschaffen­en Provinz Banat. Mathäus Seutters Darstellun­g zeigt die Stadt um 1700.
[ wikipedia ] Temeswar, rumänisch Timi¸soara, war die Hauptstadt des 1718 nach dem Venezianis­ch-Österreich­ischen Türkenkrie­g von den Habsburger­n neu geschaffen­en Provinz Banat. Mathäus Seutters Darstellun­g zeigt die Stadt um 1700.

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