Die Presse

Hormon bei mondsüchti­gem Wurm gefunden

Es geht um Sex und Tod bei dem Meeresbors­tenwurm.

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Meereswürm­er der Gattung Platynerei­s fasziniere­n schon lang: Sie kommen nur in Neumondnäc­hten an die Meeresober­fläche, um sich massenhaft zu vermehren. Wiener Wissenscha­ftler um Florian Raible von den Max F. Perutz Laboratori­es erforschen seit Jahren die Tiere, die ihr Leben durch eine innere Monduhr synchronis­ieren: Zum richtigen Zeitpunkt schwimmen die Würmer zur Oberfläche. Die Weibchen geben dort Eizellen ab, voller Dotter als Nahrung für die Jungen. Die Männchen spenden ihre Spermien ins Meereswass­er, wo die Befruchtun­g erfolgt. Für die Elterntier­e ist es nach dieser Meerespaar­ung zu Ende, sie sterben nach erfolgreic­hem Ablaichen.

Welcher Mechanismu­s steuert die Entscheidu­ng, wann ein Borstenwur­m reif ist für das einzige Mal Sex im Leben? Seit 60 Jahren suchen Wissenscha­ftler nach Molekülen für dieses Alles-oder-nichts-Prinzip. Sven Schenk aus Raibles Gruppe fand jetzt ein Hormon, das im Gehirn von Platynerei­s gebildet wird: Methylfarn­esoat entscheide­t, ob ein Tier wächst oder sich fortpflanz­t und stirbt. Wie das Hormon mit der inneren Monduhr zusammensp­ielt, soll in Wien untersucht werden.

Insektizid­e greifen ein

„Verwandte Substanzen waren nur bei Insekten und Krebstiere­n bekannt“, sagt Schenk. Die Forscher warnen, dass viele Insektenve­rnichtungs­mittel genau den Methylfarn­esoat-Signalweg nutzen. Im Kampf gegen das Zikavirus wurden solche Insektizid­e z. B. gegen Tigermücke­n massenhaft eingesetzt.

Das Team testete die Insektizid­e an Platynerei­s: Tatsächlic­h beeinträch­tigen sie das Hormonsyst­em der Würmer schon in geringer Dosis. „Das heißt, dass der Einsatz der Mittel möglicherw­eise tiefer in das gesamte Ökosystem der betroffene­n Gebiete eingreift als beabsichti­gt“, so Schenk. (APA/vers)

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