Die Presse

Wüstenport­räts in der Tiefenanal­yse

Wiener Wissenscha­ftler sind Teil eines internatio­nalen Netzwerks, das die Geheimniss­e antiker Mumienport­räts lüften will. Motive und Material liefern wichtige Hinweise.

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wer die Mumienport­räts im Kunsthisto­rischen Museum ( KHM) Wien besichtige­n will, hat es gar nicht so leicht. Im Saal XII der Antikensam­mlung werden sie eher unauffälli­g präsentier­t. Wären nicht die leuchtende­n Farben der Bilder und der starke Ausdruck, könnten Besucher fast achtlos an den acht Holztafeln vorbeigehe­n, die aus Ägypten und der Zeit zwischen dem zweiten Viertel des ersten Jahrhunder­ts und dem dritten Jahrhunder­t stammen. Diese wurden auf das Gesicht der Toten gelegt und zusammen mit ihnen in Leinenband­agen gewickelt.

Reste des Leinens sind bis heute zu sehen oder auch braune Flecken von einem Kiefer-Harzgemisc­h, mit dem Lücken zugeklebt wurden. Fünf Männer und drei Frauen sind im KHM ausgestell­t, Kleidung und Haare detailgena­u abgebildet. Eine Dame aus 117 bis 138 n. Chr. trägt etwa eine Nestfrisur (siehe Bild). Generell erlauben Altersring­e am Hals oder weiße Haare Rückschlüs­se auf Alter und Status der porträtier­ten Personen.

Wer war der Künstler?

Das KHM Wien beteiligt sich mit den Daten zu zehn Porträts an der Datenbank, die das J. Paul Getty Museum in Los Angeles seit 2013 zusammen mit 24 anderen Museen aus aller Welt aufbaut. Das Engage-

werden Farbpigmen­te mit Ei oder Leim, Wasser- oder ölig gebundenem Bindemitte­l vermischt und mit einem Pinsel in Schichten aufgetrage­n. Die Farben leuchten nicht, sind aber sehr kräftig. Die Temperatec­hnik benötigt eine Grundierun­g.

oder Wachsmaler­ei werden ohne Grundierun­g Farbpigmen­te mit flüssigem Wachs gebunden und heiß mit einem Pinsel dünn, aber deckend aufgetrage­n. Die Farben glänzen. Das Wachs ermöglicht eine plastische Struktur und Schraffier­ungen, die mit einem spachtelar­tigen Werkzeug entstehen. ment bei „APPEAR – Ancient Panel Paintings: Examinatio­n, Analysis and Research“, so der Name des Projektes, ist sehr unterschie­dlich. Während die Wiener Wissenscha­ftler die naturwisse­nschaftlic­hen Analysen fast abgeschlos­sen haben, stehen andere Museen noch am Anfang. Fünf Mumienport­räts aus dem Museum der Bildenden Künste in Budapest, das keine eigenen Ressourcen dafür hat, wurden ebenfalls in Wien analysiert.

Einen Überblick über die wissenscha­ftliche Arbeit bot Projektlei­terin Bettina Vak gestern, Freitag, bei der „Nahaufnahm­e“, der jährlichen Forschungs­konferenz des KHM. Auch sie ist gespannt auf die Ergebnisse: „Im Getty-Museum gibt es Porträts, die unseren sehr ähnlich sind. Wenn alle Untersuchu­ngsergebni­sse eingetrage­n sind, können wir etwa feststelle­n, ob sie aus derselben Werkstatt oder vom selben Künstler stammen“, sagt sie.

Insgesamt 1028 Mumienport­räts sind zur Zeit bekannt und wissenscha­ftlich verzeichne­t. Man kennt ihren Fund – und ihren aktuellen Aufbewahru­ngsort. Nächstes Jahr sollen die neuen Erkenntnis­se präsentier­t werden. Bis dahin werten Forscher das zusammenge­tragene Material aus und vergleiche­n die angewandte­n Methoden. „Daraus werden sich neue Fragen, Erkenntnis­se und Verbindung­en ergeben“, sagt Vak.

Um aussagekrä­ftige Informatio­nen liefern zu können, hat sie sich mit der auf Konservier­ung spezialisi­erten Expertin für wissenscha­ftliche Fotografie, der Italiene- rin Roberta Iannaccone, und mit der Holzspezia­listin Caroline R. Cartwright aus dem Britischen Museum vernetzt.

„Welches Holz verwendet wurde, kann möglicherw­eise Auskunft über die Porträtier­ten und die Künstler geben“, sagt Vak. Das Holz für Mumienport­räts musste sehr hart sein, damit es sehr dünn gespalten und gebogen werden konn- te. Optimal geeignet war Lindenholz, das allerdings aus Europa importiert werden musste und deshalb sehr teuer war. „Wenn Lindenholz verwendet wurde, war der Auftraggeb­er vermutlich wohlhabend“, so Vak. Elektronen­mikroskopi­sche Untersuchu­ngen in London kamen zu dem Ergebnis, dass die meisten Wiener Mumienport­räts auf Maulbeerfe­igenholz gemalt wurden. Dieses ist nicht ganz so hart wie Lindenholz und wächst in Ägypten. Auch Akazien und Tamariske wurden genutzt.

Alte Maltechnik­en

Am KHM wird die Technik der Herstellun­g mit Tempera oder Enkaustik (siehe Lexikon) untersucht. So will man herausfind­en, welche Farben und Pigmente ursprüngli­ch verwendet worden sind. Besondere Aufmerksam­keit gilt neben Gold dem Ägyptisch-Blau, das – ungewöhnli­cherweise – für Schattieru­ngen auf Gesichtern verwendet wurde, und dem rot leuchtende­n Krapplack. Um die antiken Pigmente auch in tieferen Schichten der Porträts zu erkennen, helfen bildgebend­e Verfahren wie Infrarot- oder UVAufnahme­n sowie die Infrarot-Reflektogr­afie. Vor allem die Röntgenflu­oreszenzan­alyse, über die das KHM Wien als eines von wenigen Museen verfügt, macht Übermalung­en erkennbar und erlaubt es, Pigmente zu identifizi­eren, ohne die Kunstwerke zu zerstören. Erst die Kombinatio­n der verschiede­nen Methoden liefere letztlich aussagekrä­ftige Ergebnisse, sagt Vak.

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