„Fragen Sie die Polizei!“
QJajinci, Serbien, 450 Kilometer nordöstlich, liegt in den Hügeln vor Belgrad. An neuen Straßen stehen neureiche Villen. Ein sonniger Nachmittag. Hier wurden kurz nach dem Montenegro-Putsch Waffen gefunden, auf der Zufahrt zum Haus des Vaters von Premierminister Aleksandar Vuciˇc.´ Serbien ermittelt wegen eines Attentatsversuchs auf Vuciˇc.´ Statt Kaschemmen finde ich im Nobelort Bankettrestaurants. Im „Oaza“zwei gedämpft debattierende Herren. Ihre Meinung verraten sie nicht: „Fragen Sie die Polizei!“
Zubin Potok, 400 Kilometer südlich, befindet sich im Nordkosovo. 93 Prozent sind Serben. Der zu Brüssel bekehrte Exnationalist Vuciˇc´ hat ihnen eine Autonomie ausgehandelt, deren Umsetzung wegen Tränengasschlachten kosovo-albanischer Politiker aussteht. Zubin Potok ist doppelt im Gerede: Am 15. Oktober pilgerten sechs hiesige Burschen ins montenegrinische Kloster Ostrog. Sie wurden als Putschisten verhaftet, tags darauf aber freigelassen. Und am 3. April war auf die Sporthalle von Zubin Potok ein Anschlag verübt worden, mit einer Bombe und MG-Salven – kurz vor einem Auftritt von Vuciˇc.´ Dieser erklärte dazu: „Alle in Zubin Potok wissen ungefähr, aus welcher Küche das kam.“Er nannte keine Namen.
Als ich die lang gezogene Hauptstraße entlanggehe, rast ein weißer Kleinwagen durch. Plötzlich büchst er auf den Gehsteig aus, auf einen Passanten zielend, der zur Seite springt. Da der Passant unbekümmert weiterspaziert, nehme ich dies als joviale Grußart hin. Der Kellner im leeren Restaurant lobt: „Hier ist es schön ruhig.“Gegen zehn folge ich einem Strom junger aufgetakelter Frauen. WestTechno und Red Bull im „Clubbing“, das um ein Uhr schließt. Der letzte Sammelpunkt ist die Imbissbude, Hotdogs oder Palatschinken mit Marmelade, Nutella oder billigerer „Eurokrem“. Nun können wir reden. Einige kommentieren den Sporthallenanschlag vom April nicht, einer nennt ihn „lange her, so drei Jahre“.
Ein Recke mit soldatisch scharfem Profil, hagestolz besoffen, geht auf das heruntergekurbelte Fenster eines herbeigefahrenen Wagens zu. Seiner Miene nach zu urteilen, erschießt er den Fahrer gleich. Es folgt jedoch eine herzliche Begrüßung. Spuz,ˇ Jajinci und Zubin Potok stehen wohl für die harmloseren Unruheherde. An die anderen fahre ich auch.