Die Sache mit dem Brett
nachbearbeitet. Und natürlich spielen da Menschen, die es gewohnt sind zu unterhalten, eloquent, witzig und meist sogar überdurchschnittlich gut aussehend sind. Wheaton verkauft in seinen Videos nicht die Realität. Er überhöht sie, er stellt sie eben ein klein wenig über das, was tatsächlich an einem gemütlichen Spieleabend erreichbar ist.
Ähnlich ausgerichtet, aber wesentlich natürlicher fühlen sich Videos der beiden Berliner Johannes Jäger und Jan Cronauer an. Als Hunter & Cron liefern sie auf ihrem YouTube-Kanal nicht nur Besprechungen von Gesellschaftsspielen, sondern veranstalten auch den Brettspiel-Club. Vorrangig Personen aus der YouTuber-Szene – verstanden als Abo-Multiplikatoren – spielen mit Jäger und Cronauer Spiele. Die beiden „Freunde der analogen Unterhaltung“– eine obligatorische Begrüßung der beiden – kommen aus der Berliner Medienszene und verstehen ihr Handwerk.
Über Crowdfunding finanziert, sind die Videos professionell produziert, aber noch nicht zu glatt. Wo Tabletop einem eher ruhelosen Rhythmus folgt, erlauben die Berliner Leerläufe und stille Phasen. Dazu kommen die authentischen Gäste. Viele haben kaum Berührungspunkte mit dem Thema Gesellschaftsspiel. Umso spannender ist es, eine gewisse Annäherung mitzuverfolgen. Die YouTuberin Melissa Lee – ihr Kanal nennt sich Breeding Unicorns – wirkt in der zweiten Folge eher verstört als interessiert, in Staffel drei ist sie mittlerweile zum dritten Mal zu Gast, freut sich sichtlich und artikuliert auch ihre Abneigung gegenüber alten Spielen, die oft nur wegen der Erinnerung an die gute alte Zeit gespielt werden. Und wirklich unterhaltsam sind diese „alten“Brettspiele in der Tat nicht mehr.
Aber selbst der Hirnforscher Gerald Hüter, der mit seinem aktuellen Buch, „Rettet das Spiel“, fast schon etwas zu kämpferisch die Wichtigkeit des lustvollen Spielens postuliert, berichtet auf Brettspiele angesprochen, wie er mit seiner Tochter „Mensch, ärgere dich nicht“gespielt hat. Und wie viel sie beide dabei gelernt haben. Nun gehört dieser Klassiker natürlich in jeden Haushalt, aber als Synonym für Brettspiele versagt er mittlerweile völlig. Tatsächlich hat der große Innovationsschub analoger Spiele erst vor rund 20 Jahren begonnen und auf den ersten Blick nur komplexe Monstrositäten hervorgebracht. Für viele erscheint die spielerische Auseinandersetzung damit – und manchmal nicht ganz zu Unrecht – als ausgesprochen mühsam.
Gerade in den vergangenen Jahren entwickelte sich ebenfalls ein Trend zu einfachen, aber sozial hoch interaktiven Spielen. Der Sog, der sich aus dem Gemeinsamen am und um den Tisch ergibt, ist typisch für diese konzeptionelle Gegenbewegung. Die persönlichen Spielerbiografien vieler gehen vom Einfachen hin zur Faszination für das Komplexe und nach einer gewissen Sättigung in Richtung eines zwischenmenschlichen Erlebnisses.