Ist die Katze aus dem Haus
EWer traf wen? Welche Gegend der USA hat die Künstlerin besonders inspiriert? Die legendäre Galerie des Fotografen?
Qin schneller Blick, und er ist gefangen. Was für ein Strich, welch sicheres Gespür für Proportionen und Format! Von wem sind diese Bilder? Er hört den Namen einer Künstlerin, der er vor einiger Zeit schon einmal begegnet ist. Doch erst jetzt erkennt er, was in ihr steckt. Er spürt die Malerin in North Carolina auf und lädt sie zu einer Gruppenausstellung nach New York ein.
Eine Ehre für die junge Kunstlehrerin, die zu jenem Zeitpunkt in einer Krise steckt. Die Arbeit des Galeristen wird weithin geschätzt, er gilt als charismatischer Mäzen und anerkannter Fotograf. Von ihm protegiert zu werden, davon träumen viele. Entsprechend aufgeregt trifft die Künstlerin in der Fifth Avenue ein. Ihre Zeichnungen kommen gut an, ein Durchbruch – und sie selbst begeistert ihren Mentor: auch als Frau und mögliches Modell. Als sie zurückreist, gehen aufgeregte Briefe hin und her.
Eine weitere Ausstellung, diesmal mit ihren Ölbildern, muss nach drei Tagen geschlossen werden, weil die USA in den Ersten Weltkrieg eintreten und Geld knapp wird. Die Verbindung mit ihrem Förderer wird trotzdem intensiver. In seinen Briefen bedrängt er sie. Er möchte sie bei sich haben, doch sie zögert und fühlt sich ihm ausgeliefert, zu sehr hat sie sich ihm schon preisgegeben.
Als sie endlich nach New York übersiedelt, verstricken sich die zwei in eine schwierige Liebesbeziehung. Der Fotograf ist mit einer vermögenden Erbin verheiratet, was ihm zahllose Möglichkeiten eröffnet. Heimlichkeiten beginnen: Kaum ist seine Frau aus dem Haus, holt er seine Freundin in die Wohnung. Er kann sich nicht sattsehen an ihrem Körper, was Hunderte von Fotografien belegen. Eine symbiotische Verbindung, die nach seiner Scheidung besiegelt wird.
Die Ehe wird für die Malerin zum Gefängnis. Sie flüchtet sich in die emotionale Unabhängigkeit. Nach dem Tod des Gatten ordnet sie seinen Nachlass: ein letzter Liebesdienst. Dann fühlt sie sich wirklich frei. Als sie 1986, als 98-Jährige, stirbt, ist sie längst zur Ikone avanciert. Im November 2014 wird eines ihrer Gemälde, „Jimson Weed/White Flower No. 1“, bei Sotheby’s für 44,4 Millionen Dollar versteigert: Damit gilt sie als teuerste Malerin der Kunstgeschichte. Während ihr Mann in ihrem Schatten zu verschwinden droht.