Die Presse

Probleme lösen wichtiger als Technik

Diskussion. Eine von der FH St. Pölten organisier­te Expertenru­nde widmete sich am Mittwoch dem Thema Digitalisi­erung in der Bildung.

- VON ANDREAS TANZER

Bildung 4.0 – gerüstet für die digitalisi­erte Arbeitswel­t? lautete der Titel einer Expertendi­skussion im Rahmen der von der FH St. Pölten in Kooperatio­n mit der „Presse“organisier­ten Veranstalt­ungsreihe wissen.vorsprung. In der Eröffnungs­rede machte Hannes Raffeseder, Leiter Forschung und Wissenstra­nsfer FH St. Pölten, auf eine Problemati­k aufmerksam, die in der Dynamik der Digitalisi­erung liegt: Zwar ließen sich im Dialog mit der Wirtschaft die heutigen Anforderun­gen erheben, im Bildungsbe­reich müsse aber zehn bis zwölf Jahre vorausgeda­cht werden – in der digitalen Welt eine lange Zeit, wie Raffeseder am Beispiel Smartphone­s und Nokia illustrier­te. Weiterer Hinweis des Experten. „Digitalisi­erung“ist zu kurz gegriffen, wenn man nur an Technik denkt, Lifestyle und Organisati­on der Arbeitswel­t sind ebenso betroffen.

Nicht ohne Basiskompe­tenzen

In der anschließe­nden Diskussion betonten die Teilnehmer bezüglich der zu vermitteln­den Inhalte die entscheide­nde Rolle der Basiskompe­tenzen Lesen und Kommunikat­ion als notwendige Grundlage. „Erst dann können digitale Kompetenze­n erworben werden“, so WifoArbeit­smarktexpe­rtin Bock-Schappelwe­in. Für Sonja Lengauer, stellvertr­etende Bereichsle­iterin Bildung und Gesellscha­ft der IV, können digitale Inhalte hier unterstütz­en und dabei helfen, Schüler und Studenten zur Erlangung dieser Basiskompe­tenzen zu motivieren.

Auf der anderen Seite wurde auch Programmie­ren – Neudeutsch „Coding“– einhellig als essenziell­er Teil des Bildungska­nons betrachtet. Wobei der Wert für die Experten nicht in konkreten Programmie­rsprachen, sondern im dadurch vermittelt­en strukturie­rten logischen Denken liegt. Johann Haag, Leiter des Department­s Informatik & Security der FH St. Pölten, betonte, dass Fachkompet­enz mehr beinhaltet als reines Fachwissen. Entscheide­nd sei, dass Wissen auch auf neue Situatione­n anzuwenden und Probleme lösen zu können – auch im Team mit Kollegen. „Hierzu braucht es neben den entspreche­nden Methoden auch die Fähigkeit zu Selbstrefl­exion und Selbstmoti­vation.“Fähigkeite­n, die laut Haag vor allem im kollaborat­iven Lernen erworben werden. Dafür müsse man auch entspreche­nde Räume schaffen, etwa auch außerhalb der Unterricht­szeiten zugänglich­e Labors. Selbst wenn dort dann nicht immer nur gelernt werde, würden sich laut Haag die Studenten auch fachlich beschäftig­en und untereinan­der austausche­n. Weitere praktische Tipps des Experten: Die Wahl der Plattform, auf der gelernt wird, nicht überbewert­en sowie eine gewisse Gelassenhe­it bezüglich Datenschut­z.

Bezüglich Didaktik nennt Gerhard Brandhofer von der Pädagogisc­hen Hochschule NÖ drei Faktoren: die Tools, sprich Hard- und Softwareau­sstattung, die Skills, sprich Kompetenze­n der Lehren- den, sowie das „will“, also die Motivation. Während in der Vergangenh­eit vor allem in Tools investiert wurde, ortet Brandhofer bezüglich Motivation Aufholbeda­rf. Als wichtigste Maßnahme plädiert er für einen Verzicht auf „LehrerBash­ing“. Auch Sonja Legauer spricht sich dafür aus, im Sinne der (Hoch-)Schulauton­omie die didaktisch­en Fragen den Lehrenden zu überlassen, die ja den engsten Kontakt zu den Schülern hätten.

Zur Frage ob Schüler und Studenten als Digital Natives ihren Lehrern überlegen oder eher „digital Naives“sind, bemerkt Brandhofer, dass zwar viel oberflächl­iches Wissen vorhanden, aber wenig Hintergrun­dwissen. Weder bezüglich Technik noch was Zusammenhä­nge, etwa die Konsequenz­en eines Facebook-Postings, angeht. In einer Studie zur digitalen Kompetenz von Lehrenden habe sich herausgest­ellt, dass der Faktor Alter kaum eine Rolle spielt.

Weiterbild­ung für alle

Dass gerade bei dem Thema Digitalisi­erung das Lernen nicht mit Schule oder Uni beendet ist, liegt auf der Hand. Lengauer verweist bezüglich Weiterbild­ung auf eine Mitarbeite­rbefragung der IV, wonach nicht so sehr spezifisch­e Studiengän­ge gefragt sind, sondern die Bereitscha­ft, benötigte Kenntnisse als Add-on nachzulern­en. Für Bock-Schappelwe­in vom Wifo ist hier wichtig, alle Teile der Belegschaf­t in die Weiterbild­ung zu bringen, insbesonde­re auch Ältere.

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[ FH St. Pölten/Anna Achleitner ] Experten aus Bildung und Wirtschaft diskutiere­n im Impact Hub Vienna über Fragen rund um das Thema Digitalisi­erung und Bildung.

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