Keine Skulptur, sondern ein Zuhause
Baugeschichte. Das moderne Einfamilienhaus in Wien ist oft eine moderne Villa mit Flachdach und großen Fensterflächen. Aber nicht immer. Auf Baustellentour im Wiener Westen.
Das Grundstück liegt in einer schönen Wiener Wohngegend und in einer sehr ruhigen Straße, scheint für die Verbauung aber auf den ersten Blick nicht so ideal: Der schmale, steile Hangstreifen ist ganz nach Norden ausgerichtet. Ringsum wurden die Häuser nah an die Grundstücksgrenze herangebaut. Gegenüber stehen hohe Fichten, die das Ambiente nicht viel heller erscheinen lassen. Doch auf den zweiten Blick hat diese Lage besondere Qualitäten – aus der Sicht des versierten Planers und eines Bauherrn, der sofort die Möglichkeiten erkennt. Etwa, dass Licht eben nicht durch große Glasflächen nach Norden, sondern auch von ganz oben durch Öffnungen in den Decken bis in das unterste Stockwerk hereingeholt werden kann. Oder dass eine kleinere Grundfläche sich durch Höhe, sprich ein Geschoß mehr kompensieren lässt (schon überhaupt, wenn es einen internen Lift gibt). Und wenn die Fläche hinter dem Haus alles andere als flach ist, hilft der Einsatz einer über zehn Meter hohen Stützmauer, um eine Ebene zu schaffen – wo dann uneinsehbar von den nahen Nachbarn ein großer Pool in dieser Patio-Situation Platz hat.
Hanglage und Gartenblick
Vor solchen Herausforderungen stehen die Planer von „Wunschhaus“und die von ihnen beauftragten Baufirmen öfters: „In manchen Gassen im 13. und 14. Bezirk haben wir fast jedes fünfte Haus geplant“, sagt Murat Özcelik, der Geschäftsführer. Und manchmal waren die Grundstücke am Wienerwaldrand so steil, dass der Bagger abgeseilt werden musste, um die Baugrube für das viergeschoßige Haus auszuheben.
Auch die nächste Station auf der Baustellentour mit Özcelik durch den Wiener Westen führt zu einer Liegenschaft in starker Hangneigung – nur dass hier der Bau- herr weniger Puristisches wünschte, sondern sehr wohl ein Steildach, keine roughe Optik, sondern weißen Verputz, schmälere Fenster zur Straße, dafür mehr Ausblick zum Garten hin.
Moods, Stile, Abläufe
Das zeitgenössische Einfamilienhaus von einem Planer, der eine Schnittstelle zwischen Architektur und Baumeisterkunst bildet, muss kein Flachdach oder riesig dimensionierte Fensterflächen aufweisen. „Die allermeisten Bauherren wollen zwar ein modernes Haus, aber man muss abklären, was tatsächlich unter modern verstanden wird.“Um das herauszufinden, arbeiten die Architekten von Wunschhaus anfangs mit Moods, Bildern aus einem Output von bereits 500 realisierten Bauten, mit Beispielen von Stil- und Farbwelten, wie Özcelik beschreibt. Die übrigens auch Aufschluss darüber geben, wie extrovertiert oder dezent und abgeschottet ein Objekt werden soll. Gewohnheiten und tägliche Abläufe werden erfragt, weil sich daraus die Wege und Raumaufteilung im Haus erschließen lassen. Und was den Grund betrifft, gilt es, öfters vor Ort zu sein: „Wie ist es dort am Sonntag, wie unter der Woche?“Bloß um den Selbstzweck geht es nie: Ein Haus solle schließlich „keine Skulptur, sondern ein Zuhause“sein.
Dezent nach außen
Was auch auf Beispielbaustelle Nummer drei zutrifft: Dort ist die Villa schon sehr weit fortgeschritten, die Bauherrin nahezu täglich vor Ort, weil sie den raschen Fortschritt ihres neuen Eigenheims verfolgen wollte. Und darauf Wert legte, dass die Anlage um den Pool schon fertiggestellt war, bevor die Steckdosen drinnen montiert waren. Gemeinsam hatte man zuletzt an der Farbe des Verputzes dieses modernen Ziegelhauses getüftelt – und sich entschlossen, dass es einmal nicht weiß sein solle, sondern eben graubeige-elegant.
Dass auch Grundstücke, die sehr groß sind, für ein erfahrenes Atelier wie Wunschhaus (das 1967 vom Architekten Franz Andre gegründet wurde) eine Challenge sein können, sieht man an einer klassischen Villenlage im Westen von Wien. Dort galt es, ein dezentexklusives Haus mitten in einen alten Baumbestand zu setzen und die Lichtverhältnisse am Grund gut auszunützen. Zugleich sollte der Bau so offen wie geschützt wirken. Letzteres oft ein Anliegen der Bauherren, wie Özcelik bestätigt. Was dazu führt, dass viele ihrer Häuser nicht immer so sichtbar sind: Weil sie ihre spektakuläre Seite zum Garten hin zeigen und sich zur Straße hin bewusst zurücknehmen.