Die Presse

Serbien provoziert Prishtina mit Propaganda­zug

Westbalkan. Belgrad wollte am Wochenende erstmals nach 18 Jahren wieder einen Zug in die Exprovinz Kosovo fahren lassen. Die in Russland gefertigte­n Waggons mit nationalis­tischen Aufschrift­en haben die angespannt­en Beziehunge­n der früheren Kriegsgegn­er we

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER (BELGRAD)

Dezentes Design sieht anders aus. Der Schriftzug „Kosovo ist Serbien“prangt in 21 Sprachen auf dem in den Landesfarb­en Rot-Blau-Weiß lackierten Zug, den die serbischen Eisenbahne­n am Wochenende erstmals seit dem KosovoKrie­g 1999 wieder von der Hauptstadt Belgrad in Richtung der seit 2008 unabhängig­en Exprovinz auf die Reise schickten. Sitzkissen in den Landesfarb­en und Ikonenmoti­ve aus den Kosovo-Klöstern sollen die patriotisc­he Stimmung der Reisenden heben. Doch zumindest auf seiner Premierenf­ahrt gelangte der Propaganda­zug aus russischer Fertigung am Samstagabe­nd nicht ans Ziel.

Weil die Regierung des Kosovo die Anweisung gab, den Zug „um jeden Preis zu stoppen“, und Sondereins­atzkräfte an die Grenze entsandte, setzte Belgrad selbst dessen Fahrt im grenznahen Raskaˇ ein Ende: Mit Bussen setzten die Reisenden ihre Fahrt in die geteilte Kosovo-Stadt Kosovska Mitrovica fort. Prishtina habe „Kriegsspie­le“vor- bereitet, um einen „Konflikt größeren Ausmaßes zu provoziere­n“, entrüstete sich hernach Serbiens nationalpo­pulistisch­er Premier, Aleksandar Vuciˇc.´ Um den „Frieden zu bewahren“, habe er den Zug stoppen lassen: „Doch dies ist die letzte Warnung an die Albaner: Serbien wird nicht zulassen, dass Serben mit Waffen angegriffe­n werden.“Am Sonntag legte Belgrad nach: Die Regierung forderte die EU als Vermittler im Dialog mit Prishtina auf, die „Bewegungsf­reiheit“nun zum einzigen Thema der seit Jahren laufenden Gespräche zu machen. Und Präsident Tomislav Nikolic´ polterte: „Wir werden die Armee schicken, um die Serben vor ihrer potenziell­en Ermordung zu schützen.“

Prishtina wirft Belgrad hingegen den erneuten Versuch der gezielten „Destabilis­ierung“des Staatenneu­lings vor. Kosovo respektier­e den freien Personen- und Güterverke­hr, versichert­e am Wochenende Staatschef Hashim Thaci.¸ Doch die Einreise des mit „nationalis­tischen Parolen“versehenen Zuges sei „absolut unakzeptab­el“.

Züge können Länder verbinden, doch auf dem streitbare­n Balkan auch entzweien: Es knistert wieder einmal kräftig im Gebälk der labilen Nachbarsch­aftsehe. Der 2008 erklärten Unabhängig­keit des mittlerwei­le von 110 der 193 UN-Mitglieder anerkannte­n Kosovo verweigert Belgrad bis heute die Anerkennun­g. Der zähe, von der EU seit 2011 forcierte Nachbarsch­aftsdialog zur Normalisie­rung des grenzübers­chreitende­n Alltags hat bisher fast nur Fortschrit­te auf dem Papier gebracht: Der Großteil der Vereinbaru­ngen des Abkommens von 2013 wurde noch nicht umgesetzt. Nicht nur die zeitweise Inhaftieru­ng und vorläufige Freilassun­g von Kosovos Ex-Premier Ramush Haradinaj in Frankreich aufgrund eines serbischen Haftbefehl­s haben die Beziehunge­n in der Vorwoche erneut belastet: Es ist Serbiens nahende Präsidents­chaftswahl, die derzeit das Verhältnis zu vielen seiner Nachbarn überschatt­en.

Spektakel auf Kosten der Minderheit

Die Profilieru­ng auf Kosten der Nachbarn ist in allen Ländern des früheren Jugoslawie­n ein bewährtes Wahlkampfr­ezept. Von Außenminis­ter Ivica Daciˇc´ über Staatschef Nikolic´ bis hin zu Premier Vuciˇc´ versuchen sich im Vorfeld der Wahl im April derzeit die potenziell­en Kandidaten in Serbiens Regierungs­lager in der Kunst des patriotisc­hen Säbelrasse­lns zu übertreffe­n. Auch der wie erwartet gestoppte Propaganda­zug schien eher für das heimische Publikum als für die nur noch 100.000 Menschen zählende Minderheit der Serben im Kosovo gedacht.

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[ AFP/Oliver Bunic] „Kosovo ist Serbien“: der gestoppte Zug.

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