Die Presse

„Mache mir nicht viel aus Statusthem­en“

Interview. Moritz Krüger gründete die Brillenman­ufaktur Mykita. Heute werden die Stücke von vielen Stars getragen. Mit der „Presse“sprach er über seine Bodenständ­igkeit und erklärte, warum es wichtig ist, nicht zu lang über den Dingen zu grübeln.

- VON NICOLE STERN

Die Presse: Sie sind Mitgründer der Berliner Brillenman­ufaktur Mykita. Für viele Journalist­en ist Ihr Unternehme­n vor allem wegen des Designs Ihrer Brillen interessan­t. Ich würde aber gern über Geld mit Ihnen sprechen. Moritz Krüger: Auch wenn ich mich in erster Linie als kreativer Unternehme­r verstehe, spielt Geld für mich eine wichtige Rolle. Ich habe ziemlich früh verstanden, dass kommerziel­ler Erfolg die Voraussetz­ung für kreative Unabhängig­keit ist. Nur wenn einem das klar wird, hat man die Möglichkei­t, seinen eigenen Weg zu gehen.

Wann kam diese Einsicht? Relativ bald. Wir bedienen als Unternehme­n die komplette Wertschöpf­ungskette, von der Produktide­e über die Herstellun­g bis zum Verkauf an den Endkunden. Das macht auf der einen Seite zwar unabhängig, aber bindet auch. Man muss die Grundlage für volle Auftragsbü­cher schaffen und darauf achten, sich nachhaltig weiterzuen­twickeln. Wir können nicht einfach so um 20 Prozent weniger verkaufen, denn dann stehen unsere Mitarbeite­r ohne Arbeit da.

Sie haben die Firma mit Anfang 20 gegründet. Normalerwe­ise hat man in dieser Lebensphas­e andere Dinge im Kopf. Ich habe nach dem Abitur Zivildiens­t gemacht. Eigentlich wollte ich visuelle Kommunikat­ion an der Kunsthochs­chule in Berlin studieren. Als Student habe ich bei einer Brillenfir­ma gejobbt und war dann relativ schnell für viele Dinge zuständig. Eineinhalb Jahre später habe ich mit meinen Kollegen Mykita gegründet. Ich habe bemerkt, dass es toll ist, sich eigene Produkte auszudenke­n, sie herzustell­en und zu verkaufen. Ich hatte die Möglichkei­t, diesen Prozess nicht nur theoretisc­h zu sehen, sondern ihn mitzuerleb­en, das hat einfach Spaß gemacht.

Woher hatten Sie in jungen Jahren das Geld dafür? Wir hatten zwei Leute aus dem entfernten Bekanntenk­reis, die an uns geglaubt haben. Die Banken hatten nicht viel Interesse, obwohl ich mir ein halbes Jahr lang die Mühe gemacht und Businesspl­äne geschriebe­n habe. Aber eine Brillenfir­ma zu unterstütz­en war nichts für die. Den beiden Geldgebern haben wir dann einfach Anteile an der Firma gege- ben. Inzwischen haben wir sie ausbezahlt.

Eine Brillenman­ufaktur zu gründen ist heutzutage ungewöhnli­ch, hört es sich doch eher nach Old Economy an. Woher kam die Überzeugun­g, es besser als andere machen zu können? Indem wir einfach nicht darüber nachgedach­t haben. Wir haben weder gewusst, welche Konkurrent­en es gibt, noch, was der Markt sagt. Wir haben aber daran geglaubt, dass das, was wir machen, auch gut ist. Und wir haben uns schnell Feedback gesucht. Als 2014 die erste kleine Kollektion fertig wurde, haben wir uns für zwei große Brillenmes­sen angemeldet. Bei der ersten Messe in Paris stand eine Schlange an unserem Stand, am Ende hatten wir 5000 Brillen verkauft. Das hat uns allerdings vor neue Probleme gestellt, weil wir gar nicht wussten, wie wir diese Menge herstellen sollen. Ich glaube, das war die große Chance, unseren eigenen Weg zu finden.

Würden Sie heute noch einmal so naiv gründen? Wenn man von seinem Produkt begeistert ist, kann man durchaus mutig sein. Es ist wichtig, nicht zu lang über den Dingen zu grübeln, sondern einfach zu versuchen, ein Produkt in den Markt zu bringen. Heute habe ich schon viel dazugelern­t. Diese Naivität als das positivste Element hat man in der Form sicher nicht mehr.

Mykita produziert in der deutschen Hauptstadt, Berlin. Muss man das, wenn man so hip wie Ihre Firma sein will? Das machen wir nicht als Statement. Mykita wurde in Berlin gegründet, weil wir hier leben. Für unser Produkt gab es keinen Stand der Technik, keinen Hersteller. Wir mussten sogar unsere Werkzeuge selbst herstellen. In den vergangene­n zehn Jahren hat sich aber auch das Verbrauche­rbewusstse­in geändert. Den Leuten ist es wichtig, wo Produkte zu welcher Qualität hergestell­t werden. Wir mussten also nur den Vorhang vor unserer Manufaktur hochziehen.

(36) ging nach der Schule zum Zivildiens­t und jo\\te in einer Brillenfir­ma, \evor er 2003 mit drei Freunden die Berliner Brillenman­ufaktur Mykita gründete. Der Name leitet sich aus den ersten gemieteten Räumlichke­iten – eine Kindertage­sstätte – a\. Mykita ist für seine hippen Designs \ekannt. Ist der Standort Deutschlan­d ein Vorteil? Deutschlan­d ist nicht Deutschlan­d, und Berlin ist auch nochmal etwas anderes. In unseren Anfängen haben wir 350 Euro monatlich für 800 Quadratmet­er Räumlichke­iten, eine ehemalige Kindertage­sstätte, bezahlt. Und da es den Beruf des Brillenher­stellers nicht gibt, mussten wir erst talentiert­e Leute finden. Da war Berlin super. Die Frage, woanders hinzugehen, hat sich daher nie gestellt.

Viele US-Stars tragen Brillen Ihres Hauses. Muss man da aufpassen, nicht abzuheben? Es kam relativ schnell, dass ein paar bekannte Menschen unsere Brillen getragen haben. Irgendwann gewöhnt man sich daran, am Anfang war es aber in der Tat etwas Besonderes. Mittlerwei­le ist das für mich aber nur logisch (lacht). Ich muss auch dazusagen, dass wir unsere Sachen nie verschenkt haben. Die Leute haben sich die Brillen entweder selbst gekauft, oder ihre Stylisten haben das für sie gemacht.

Sie waren bei der Gründung zu viert. Wie problemati­sch ist das? So etwas ist tendenziel­l nicht problemati­sch. Man wächst mit der Firma mit oder entfernt sich in seiner Rolle. Einer unserer Gründer ist relativ früh ausgeschie­den, er wollte lieber etwas anderes machen. Die Firma war ja auch keine große Geldabwerf­maschine.

Das heißt was? Wir haben alles Geld in der Firma belassen und machen das auch heute noch.

Wie wichtig ist es, seine Firma nicht auszunehme­n? Wir waren noch nicht in der Situation. Diesbezügl­ich kann ich auch nur für mich sprechen. Ich bin eher bodenständ­ig und mit relativ wenig glücklich. Ich freue mich einfach, wenn sich die Firma weiterentw­ickelt. Dass man sich deshalb speziell belohnen muss, gab es bisher noch nicht – und war jedenfalls nie meine Antriebsfe­der.

Soll viel Geld einmal das Ziel sein? Das ist weder das Ziel noch die Inspiratio­n.

Und woher haben Sie Ihre Bodenständ­igkeit? Bodenständ­ig klingt immer sehr konservati­v. Ich mache mir nicht viel aus plakativen Statusthem­en. Wir arbeiten gern viel und hart. Das ist das, was ich in den vergangene­n zwölf Jahren in erster Linie gemacht habe. Da legt man dann auch nicht so schnell die Beine hoch und denkt sich: Es läuft, wir können Geld verdienen.

Darf man als junger Unternehme­r seinen Erfolg zur Schau stellen? Dürfen tut es jeder, ob es aber eine gute Idee ist, ist eine andere Frage. Ich finde es überflüssi­g. Das kommt aber auch auf die Persönlich­keit an. Ich kann allerdings auch Leute verstehen, die sich mit einem Porsche für ihre harte Arbeit belohnen und darüber glücklich sind. Schließlic­h haben sie ihr Geld selbst verdient. Mir gibt so etwas aber nichts.

Sind Sie geizig? Nein, eher das Gegenteil.

Sind Sie stolz auf das, was Sie erreicht haben? Ja klar, das ist großartig. Wir haben uns aber so schnell entwickelt, dass es den Moment, an dem man stehen bleibt, innehält und zurückblic­kt, nicht so oft gibt. Die zwei-, dreimal im Jahr, an denen wir unsere Kollektion­en herstellen, sind aber immer wieder besondere Momente.

Sind Sie dann noch nervös? Man hat glaube ich ein Gefühl dafür, wenn etwas richtig gut ist. Das große Scheitern am Produkt haben wir bisher noch nicht erlebt.

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