„Mache mir nicht viel aus Statusthemen“
Interview. Moritz Krüger gründete die Brillenmanufaktur Mykita. Heute werden die Stücke von vielen Stars getragen. Mit der „Presse“sprach er über seine Bodenständigkeit und erklärte, warum es wichtig ist, nicht zu lang über den Dingen zu grübeln.
Die Presse: Sie sind Mitgründer der Berliner Brillenmanufaktur Mykita. Für viele Journalisten ist Ihr Unternehmen vor allem wegen des Designs Ihrer Brillen interessant. Ich würde aber gern über Geld mit Ihnen sprechen. Moritz Krüger: Auch wenn ich mich in erster Linie als kreativer Unternehmer verstehe, spielt Geld für mich eine wichtige Rolle. Ich habe ziemlich früh verstanden, dass kommerzieller Erfolg die Voraussetzung für kreative Unabhängigkeit ist. Nur wenn einem das klar wird, hat man die Möglichkeit, seinen eigenen Weg zu gehen.
Wann kam diese Einsicht? Relativ bald. Wir bedienen als Unternehmen die komplette Wertschöpfungskette, von der Produktidee über die Herstellung bis zum Verkauf an den Endkunden. Das macht auf der einen Seite zwar unabhängig, aber bindet auch. Man muss die Grundlage für volle Auftragsbücher schaffen und darauf achten, sich nachhaltig weiterzuentwickeln. Wir können nicht einfach so um 20 Prozent weniger verkaufen, denn dann stehen unsere Mitarbeiter ohne Arbeit da.
Sie haben die Firma mit Anfang 20 gegründet. Normalerweise hat man in dieser Lebensphase andere Dinge im Kopf. Ich habe nach dem Abitur Zivildienst gemacht. Eigentlich wollte ich visuelle Kommunikation an der Kunsthochschule in Berlin studieren. Als Student habe ich bei einer Brillenfirma gejobbt und war dann relativ schnell für viele Dinge zuständig. Eineinhalb Jahre später habe ich mit meinen Kollegen Mykita gegründet. Ich habe bemerkt, dass es toll ist, sich eigene Produkte auszudenken, sie herzustellen und zu verkaufen. Ich hatte die Möglichkeit, diesen Prozess nicht nur theoretisch zu sehen, sondern ihn mitzuerleben, das hat einfach Spaß gemacht.
Woher hatten Sie in jungen Jahren das Geld dafür? Wir hatten zwei Leute aus dem entfernten Bekanntenkreis, die an uns geglaubt haben. Die Banken hatten nicht viel Interesse, obwohl ich mir ein halbes Jahr lang die Mühe gemacht und Businesspläne geschrieben habe. Aber eine Brillenfirma zu unterstützen war nichts für die. Den beiden Geldgebern haben wir dann einfach Anteile an der Firma gege- ben. Inzwischen haben wir sie ausbezahlt.
Eine Brillenmanufaktur zu gründen ist heutzutage ungewöhnlich, hört es sich doch eher nach Old Economy an. Woher kam die Überzeugung, es besser als andere machen zu können? Indem wir einfach nicht darüber nachgedacht haben. Wir haben weder gewusst, welche Konkurrenten es gibt, noch, was der Markt sagt. Wir haben aber daran geglaubt, dass das, was wir machen, auch gut ist. Und wir haben uns schnell Feedback gesucht. Als 2014 die erste kleine Kollektion fertig wurde, haben wir uns für zwei große Brillenmessen angemeldet. Bei der ersten Messe in Paris stand eine Schlange an unserem Stand, am Ende hatten wir 5000 Brillen verkauft. Das hat uns allerdings vor neue Probleme gestellt, weil wir gar nicht wussten, wie wir diese Menge herstellen sollen. Ich glaube, das war die große Chance, unseren eigenen Weg zu finden.
Würden Sie heute noch einmal so naiv gründen? Wenn man von seinem Produkt begeistert ist, kann man durchaus mutig sein. Es ist wichtig, nicht zu lang über den Dingen zu grübeln, sondern einfach zu versuchen, ein Produkt in den Markt zu bringen. Heute habe ich schon viel dazugelernt. Diese Naivität als das positivste Element hat man in der Form sicher nicht mehr.
Mykita produziert in der deutschen Hauptstadt, Berlin. Muss man das, wenn man so hip wie Ihre Firma sein will? Das machen wir nicht als Statement. Mykita wurde in Berlin gegründet, weil wir hier leben. Für unser Produkt gab es keinen Stand der Technik, keinen Hersteller. Wir mussten sogar unsere Werkzeuge selbst herstellen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich aber auch das Verbraucherbewusstsein geändert. Den Leuten ist es wichtig, wo Produkte zu welcher Qualität hergestellt werden. Wir mussten also nur den Vorhang vor unserer Manufaktur hochziehen.
(36) ging nach der Schule zum Zivildienst und jo\\te in einer Brillenfirma, \evor er 2003 mit drei Freunden die Berliner Brillenmanufaktur Mykita gründete. Der Name leitet sich aus den ersten gemieteten Räumlichkeiten – eine Kindertagesstätte – a\. Mykita ist für seine hippen Designs \ekannt. Ist der Standort Deutschland ein Vorteil? Deutschland ist nicht Deutschland, und Berlin ist auch nochmal etwas anderes. In unseren Anfängen haben wir 350 Euro monatlich für 800 Quadratmeter Räumlichkeiten, eine ehemalige Kindertagesstätte, bezahlt. Und da es den Beruf des Brillenherstellers nicht gibt, mussten wir erst talentierte Leute finden. Da war Berlin super. Die Frage, woanders hinzugehen, hat sich daher nie gestellt.
Viele US-Stars tragen Brillen Ihres Hauses. Muss man da aufpassen, nicht abzuheben? Es kam relativ schnell, dass ein paar bekannte Menschen unsere Brillen getragen haben. Irgendwann gewöhnt man sich daran, am Anfang war es aber in der Tat etwas Besonderes. Mittlerweile ist das für mich aber nur logisch (lacht). Ich muss auch dazusagen, dass wir unsere Sachen nie verschenkt haben. Die Leute haben sich die Brillen entweder selbst gekauft, oder ihre Stylisten haben das für sie gemacht.
Sie waren bei der Gründung zu viert. Wie problematisch ist das? So etwas ist tendenziell nicht problematisch. Man wächst mit der Firma mit oder entfernt sich in seiner Rolle. Einer unserer Gründer ist relativ früh ausgeschieden, er wollte lieber etwas anderes machen. Die Firma war ja auch keine große Geldabwerfmaschine.
Das heißt was? Wir haben alles Geld in der Firma belassen und machen das auch heute noch.
Wie wichtig ist es, seine Firma nicht auszunehmen? Wir waren noch nicht in der Situation. Diesbezüglich kann ich auch nur für mich sprechen. Ich bin eher bodenständig und mit relativ wenig glücklich. Ich freue mich einfach, wenn sich die Firma weiterentwickelt. Dass man sich deshalb speziell belohnen muss, gab es bisher noch nicht – und war jedenfalls nie meine Antriebsfeder.
Soll viel Geld einmal das Ziel sein? Das ist weder das Ziel noch die Inspiration.
Und woher haben Sie Ihre Bodenständigkeit? Bodenständig klingt immer sehr konservativ. Ich mache mir nicht viel aus plakativen Statusthemen. Wir arbeiten gern viel und hart. Das ist das, was ich in den vergangenen zwölf Jahren in erster Linie gemacht habe. Da legt man dann auch nicht so schnell die Beine hoch und denkt sich: Es läuft, wir können Geld verdienen.
Darf man als junger Unternehmer seinen Erfolg zur Schau stellen? Dürfen tut es jeder, ob es aber eine gute Idee ist, ist eine andere Frage. Ich finde es überflüssig. Das kommt aber auch auf die Persönlichkeit an. Ich kann allerdings auch Leute verstehen, die sich mit einem Porsche für ihre harte Arbeit belohnen und darüber glücklich sind. Schließlich haben sie ihr Geld selbst verdient. Mir gibt so etwas aber nichts.
Sind Sie geizig? Nein, eher das Gegenteil.
Sind Sie stolz auf das, was Sie erreicht haben? Ja klar, das ist großartig. Wir haben uns aber so schnell entwickelt, dass es den Moment, an dem man stehen bleibt, innehält und zurückblickt, nicht so oft gibt. Die zwei-, dreimal im Jahr, an denen wir unsere Kollektionen herstellen, sind aber immer wieder besondere Momente.
Sind Sie dann noch nervös? Man hat glaube ich ein Gefühl dafür, wenn etwas richtig gut ist. Das große Scheitern am Produkt haben wir bisher noch nicht erlebt.