Wien als Nachzügler
Gesundheitspolitik. Worüber in Wien noch diskutiert wird, wurde im Rest Österreichs schon längst umgesetzt: die Ausgliederung der Krankenanstalten. Eine Bilanz von Vor- und Nachteilen.
Acht Länder haben die Ausgliederung ihrer Spitäler längst vollzogen. Nur die Bundeshauptstadt noch nicht.
Wien. Seit November vergangenen Jahres wird im Zuge der Strukturund Aufgabenreform die Ausgliederung des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV) geprüft, der noch Teil der Stadtverwaltung ist – und unter der Belegschaft wie politisch für große Aufregung sorgt. Ein Team rund um den Chef der MA 24 (Gesundheitsplanung), Richard Gauss, soll nun die Vor- und Nachteile verschiedener Modelle ausarbeiten. Sollte es dazu kommen, wäre Wien das letzte Bundesland, das diesen Schritt vollzieht. Alle anderen haben ihre Krankenanstalten teilweise schon vor Jahrzehnten ausgegliedert.
Niederösterreich
Wie in Wien gibt es auch in Niederösterreich bisher nur eine halbherzige Ausgliederungsvariante: Weil sich die Gemeinden ihre Spitäler nicht mehr leisten konnten, gingen sie in den Besitz des Landes über und wurden 2005 dann in die NÖ-Landeskliniken-Holding ausgegliedert – aber eben nicht wirklich. Denn die Holding funktioniert ähnlich wie die Unternehmungen der Stadt Wien, sie hängen mit einer eigenen Rechtsform und neu geschaffenem Gesetz noch stark am Rockzipfel der Politik. Und die versprach damals etwa eine Standortgarantie, die echte Reformen verhindert und weswegen es heute noch Absurditäten wie die Spitäler Mödling und Baden gibt, die nur zirka 20 Autominuten voneinander entfernt sind.
Oberösterreich
In Oberösterreich ist die Krankenhauslandschaft in zwei Hälften geteilt: Einerseits gibt es die Ordensspitäler, andererseits die Krankenhäuser im Besitz des Landes. Diese wurden 2001 in die Gespag ausgegliedert – gleichzeitig wurden mutige Reformen angegangen, sogar ein Haus geschlossen. Die Spitäler in Bad Ischl, Gmunden und Vöcklabruck haben neben einer Basisversorgung jeweils Schwerpunktstationen.
Nachteile der Ausgliederung: Geldmittel müssen jetzt auf dem freien Markt lukriert werden – teilweise zu schlechteren Bedingun- gen, wie sie das Land hätte – vor allem in bergigen Gebieten wie dem Salzkammergut ist die Anreise für Patienten zum Teil nun sehr weit und beschwerlich.
Burgenland
Das Burgenland hat kaum Probleme mit seinen in den 1990er-Jahren ausgelagerten Spitälern. Das liegt daran, dass sie nur einzelne sehr kleine Häuser haben. Das einzige namhafte große Spital ist in Eisenstadt, das wiederum ein Ordensspital ist. Die Burgenländer fahren zur Behandlung meist nach Wien oder in die Steiermark – es rentiert sich nicht, größere Spitäler im kleinen Burgenland zu installieren. Den Nachteil davon haben vor allem die Bundesländer, die einen Gutteil der Kosten für die Behandlung somit übernehmen.
Steiermark
In der Steiermark wurden 1985 insgesamt 20 Landesspitäler mit 9711 Bediensteten in eine eigene Gesellschaft ausgegliedert. Heute managt die KAGes, der größte steirische Arbeitgeber, 15 Spitäler an 23 Spitalsstandorten und vier Landespflegezentren mit 17.363 Beschäftigten.
Die Ausgliederung der Spitäler aus der Landesverwaltung war die Antwort auf jährliche Kostensteigerungen im zweistelligen Prozentbereich und einen enormen Nachholbedarf bei Medizintechnik und Bauinvestitionen. Die Verantwortlichkeit war damals auf fünf politische Ressorts aufgeteilt. Nach der Ausgliederung begann man sofort, das Unternehmen neu aufzustellen und Strukturen zu entwickeln, die in großen Wirtschaftsunternehmen üblich sind.
Salzburg
Die Salzburger Landeskliniken (SALK) wurden 2004 in eine GmbH umgewandelt, nachdem bereits 1998 eine Holding gegründet und die Christian-Doppler-Klinik, das Krankenhaus St. Johann und das Krankenhaus in St. Veit zusammengeführt worden waren. Mit der Ausgliederung habe man sehr gute Erfahrungen gemacht, da man als Eigentümervertreter mit dem Geschäftsführer der GmbH einen Ansprechpartner habe, der den Betrieb professionell leitet, sagt der für Gesundheitsagenden zuständige Landeshauptmannstellvertreter Christian Stöckl zur „Presse“. Denn: „Bei der Fülle an Aufgaben, die jedes Jahr dazukommen, wäre die Hoheitsverwaltung überfordert.“Nach der Ausgliederung seien die Durchgriffsmöglichkeiten besser und könnten schneller umgesetzt werden.
Vorarlberg
In Vorarlberg kam das Land bereits 1979 zum Entschluss, „dass die gemeinsame Führung mehrerer Krankenhäuser bzw. Standorte durch eine Holding viele Synergiepotenziale nutzt“. Die Vorarlberger Krankenhaus-Betriebsgesellschaft (KHBG) ist somit die älteste Krankenhausholding eines Bundeslandes in Österreich.
Dieser Entschluss war dem Land zufolge die „Vorwegnahme einer internationalen Entwicklung“, ein modernes Spitalswesen könne nur durch den Zusammenschluss von Krankenhäusern bzw. stationären Gesundheitsunternehmen funktionieren. Der KHBG beschäftigt mehr als 4000 Mitarbeiter. In der Holding selbst arbeiten 28 Personen.
Kärnten
Die Kärntner Spitäler mussten schon viel Leid erfahren: Sie wurden nach langen Protesten 1995 ausgegliedert. Ein Hauptbeweggrund der Politik: So wurden die Schulden der Spitäler nicht maastrichtrelevant – das hat sich mittlerweile geändert. Wie in Niederösterreich wurde eine Standortgarantie abgegeben – die veraltete Struktur muss darum noch immer teuer erhalten werden, Reformen können nicht gemacht werden.
2005 verkaufte Jörg Haider die Immobilien an die Kabeg, die wiederum zu 100 Prozent dem Land gehörte, also quasi an sich selbst. Was sich positiv auf das Budget des Landes auswirkte, brachte den verschuldeten Spitälern noch mehr Schulden. 2009 kollabierten die Spitäler dank der Hypo Alpe Adria fast. Weil dadurch die Kreditwürdigkeit des Landes herabgestuft wurde, bekamen die Häuser keine Fremdmittel mehr.
TIROL
Die Tiroler Landeskrankenanstalten GmbH (Tilak) mit dem Land Tirol als alleinigem Gesellschafter besteht seit 1991 und beinhaltet unter anderem die vier Landeskrankenanstalten in Innsbruck, Hall und Hochzirl-Natters. Dadurch war es der Regierung zufolge möglich, die zuvor vorhandenen Mehrfachzuständigkeiten von Abteilungen des Amtes der Landesregierung herauszulösen und auf eine Trägergesellschaft zu konzentrieren. Durch die damit erreichte klare Bündelung der Trägerstruktur sollte die Effizienz der Betriebs- bzw. Entscheidungsabläufe gesteigert werden – was auch gelang. Im Juni 2015 erfolgte die Umbenennung der Tilak GmbH in Tirol Kliniken GmbH, die rund 8200 Personen beschäftigt.