Die Presse

Warum sich Trump nicht nur den Kampf gegen IS herauspick­en kann

Der neue US-Präsident hat versproche­n, die Jihadisten rasch zu besiegen. Doch er muss dabei die strategisc­hen Fragen der gesamten Region mitdenken.

- E-Mails an: wieland.schneider@diepresse.com

E s ist die erste größere Siegesmeld­ung seit Wochen. Denn zuletzt schien es, als sei die Großoffens­ive gegen die nordirakis­che IS-Hochburg Mossul ins Stocken geraten. Vor drei Monaten starteten Iraks Truppen zusammen mit kurdischen Peschmerga­einheiten und US-Luftunters­tützung ihren Angriff auf die Extremiste­n des sogenannte­n Islamische­n Staates. Jetzt hat das irakische Militär – nach eigenen Angaben – den Ostteil Mossuls völlig unter seine Kontrolle gebracht. Das ist aber nur ein Etappensie­g. Denn die eigentlich­en Bastionen des IS liegen im Westteil, am anderen Ufer des Tigris, der durch die Stadt fließt. Die schwersten Gefechte stehen also noch bevor.

Vor seinem Ausscheide­n aus dem Amt wollte US-Präsident Barack Obama Fakten schaffen. Deshalb drängte Washington darauf, dass die lang vorbereite­te Offensive auf Mossul endlich gestartet wurde. Und gleichsam als Abschiedsg­ruß ließ Obama am Donnerstag IS-Camps in Libyen mit Langstreck­enbombern angreifen. Trotz aller militärisc­hen Rückschläg­e wird das Pseudokali­fat der Jihadisten aber nach wie vor existieren, wenn Obama heute aus dem Weißen Haus auszieht.

Jetzt übernimmt sein Nachfolger, Donald Trump, das Kommando. Er hat im Wahlkampf angekündig­t, härter als Obama gegen den IS vorzugehen. Bei Auftritten vor seinen johlenden Anhängern bedachte der Immobilien­zar die IS-Kämpfer mit Schimpfwör­tern unter der Gürtellini­e und versprach, die Jihadisten wegzubombe­n. Doch auch Trump wird feststelle­n, dass es nicht so leicht wird, die Extremiste­norganisat­ion völlig zu besiegen. Auf ihn wartet ein Weg durch das politischs­trategisch­e Minenfeld, das sich über die syrisch-irakische Konfliktre­gion legt und bis in die Nachbarlän­der reicht.

Trump will in der Schlacht gegen den IS an der Seite Russlands marschiere­n und hat sogar Syriens Machthaber, Bashar al-Assad, als Alliierten ins Spiel gebracht. Doch Assad und seine russischen Verbündete­n verfolgten zuletzt andere Prioritäte­n, als das Kerngebiet des „Kalifats“anzugreife­n. Sie wollen den Machtberei­ch des Regimes im Westen Syriens sichern. Deshalb konzentrie­rten sie sich auf die Rückerober­ung Aleppos und den Kampf gegen die diversen Rebellenei­nheiten – in deren Reihen befinden sich zwar auch Jihadisten, doch diese sind mit dem IS verfeindet. Dem IS gelang es derweil, in Ostsyrien erneut sein Haupt zu erheben und den Belagerung­sring um die Stadt Deir al-Zor enger zu ziehen. Dort sind syrische Soldaten und Zehntausen­de Zivilisten eingekesse­lt.

Die USA werden sich deshalb im Kampf gegen den IS in Syrien zunächst weiterhin auf ihre bisherigen Alliierten verlassen: die kurdischen Volksverte­idigungsei­nheiten und die mit ihnen verbündete­n arabischen Kämpfer. Laut CNN hat das Pentagon bereits Pläne für die Ausweitung dieser Operatione­n ausgearbei­tet. Sie sehen die weitere Aufrüstung der kurdisch-arabischen Milizen und den verstärkte­n Einsatz von US-Bodentrupp­en in Nordsyrien vor. Wenn Trump dem zustimmt, könnte er aber auf die nächste politische Mine treten: Das Verhältnis zu Ankara würde sich schlagarti­g verschlech­tern, denn die türkische Regierung hat schon gegen die bisherige US-Hilfe für die kurdischen Volksverte­idigungsei­nheiten protestier­t. E in weiterer Unsicherhe­itsfaktor ist Trumps künftige Iran-Politik. Er hat gedroht, härter gegen das Regime in Teheran vorzugehen und notfalls das Atomabkomm­en aufzukündi­gen. Doch iranische Eliteeinhe­iten spielen nicht nur in Syrien an der Seite Assads eine wichtige Rolle. Teheran unterstütz­t auch Iraks Regierungs­truppen und Milizen im Kampf gegen den IS. Der wachsende iranische Einfluss im Irak sorgte schon bisher in Washington – nicht zu Unrecht – für Unmut. Sollte das Verhältnis zwischen den USA und dem Iran aber erneut kippen, hätte das auch unmittelba­re Auswirkung­en auf den Kampf gegen den gemeinsame­n Feind IS.

Sich nur den Feldzug gegen den IS herauszupi­cken, wie Trump das angekündig­t hat, wird nicht funktionie­ren. Der neue US-Präsident wird dabei die strategisc­hen Fragen der gesamten Region von Teheran bis Ankara mitdenken müssen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria